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„Hoher Vorsorgebedarf bei Frauen“

Oktober 2022
„Frauen werden gerade mit Blick auf ihre Mutterrolle leider immer noch beim Verdienst stark benachteiligt“, sagt Marietta Babos. Die Expertin für die Altersvorsorge von Frauen erklärt die Ursachen und zeigt Lösungswege auf, wie Frauen trotzdem ihre Pensionslücke schließen können.
Alexandra Grill
Marietta Babos, Damensache.at

FONDS exklusiv: Woran liegt es, dass der Gender Pay Gap, also der geschlechtsspezifische Lohnunterschied, hierzulande immer noch deutlich höher ist als im Durchschnitt der Europäischen Union?
Marietta Babos: Das hat mehrere Gründe. Frauen verhandeln selten ihr Gehalt und sondieren im Vorfeld nicht ihre Möglichkeiten. Ebenso wirkt sich die Berufswahl häufig nachteilig aus, weil Frauen zu wenig aus ihren Fähigkeiten machen und besser bezahlte, oftmals männerdominierte Berufe meiden. Dabei ist es für eine Neuorientierung im Grunde nie zu spät. Und als Mutter von zwei Kindern weiß ich, wie schön es ist, sie zu haben. Doch Frauen werden leider immer noch mit Blick auf ihre Mutterrolle beim Verdienst benachteiligt.

Inwiefern, Frau Babos?
M. B.: Erstens müssen sie jobbedingt oder aus familiären Gründen ihre beruflichen Pläne aufgeben oder zumindest deutlich begrenzen. Zweitens verringert sich dadurch nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihre spätere Pension, die von der Verdiensthöhe und der Zahl an Beitragsjahren abhängt. Die ersten vier Lebensjahre des Kindes rechnet der Staat auf Basis einer monatlichen Beitragsgrundlage auf das persönliche Pensionskonto der Mutter an. Danach kommen häufig nur noch deutlich geringere Beiträge zur Anrechnung, weil sie nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen kann. Die Folge: Die Differenz vom letzten Nettogehalt zur ersten staatlichen Nettopension beträgt durchschnittlich minus 52 Prozent. Das heißt, ohne private Vorsorge müssen Frauen ihren Lebensstandard mehr als halbieren und dies für eine immer länger werdende Zeit.

Sie verweisen auf die steigende Lebenserwartung?
M. B.: Genau. Zum Beispiel werden meine Kinder voraussichtlich bis zu 30 Jahre als Pensionärinnen verbringen. Wichtig ist dabei, dass sich Frauen, statistisch betrachtet, die letzten zehn Jahre finanziell allein versorgen müssen, weil ihre Partner oder Ehemänner im Durchschnitt fünf Jahre kürzer leben und fünf Jahre älter sind als sie.

Wie können Frauen diese große Pensionslücke schließen?
M. B.: Entscheidend ist: Sie sollten zehn Prozent ihres Nettoeinkommens durchgängig investieren und damit so früh wie möglich anfangen.

Was sind beim Vermögensaufbau wichtige Leitplanken?
M. B.: Ganz wichtig ist eine lange Laufzeit, weil dann der Zinseszinseffekt bestmöglich greift und die erforderliche Rendite und Kapitaleinsatz geringer ausfallen. Bei der Veranlagung kommt es auf eine gute Mischung an, die sich nach den individuellen Anlagebedürfnissen richten muss.

Was bedeutet dies für die Praxis?
M. B.: Zunächst geht es darum, einen Kapitalpuffer für unerwartete Ausgaben sicherzustellen. Das Kapital muss daher risikoarm und jederzeit zugriffsbereit veranlagt werden. Zu einem kleineren Teil empfehle ich hier Gold als Krisenschutz, das in physischer Form nach einer Behaltedauer von einem Jahr steuerfrei veräußert werden kann. Im zweiten Schritt schauen wir uns die Finanzierung der Lebensplanung bis zum Pensionsbeginn an, also beispielsweise einen Eigenheimwunsch. Darauf aufbauend wird der Kapitalbedarf für die langfristige Altersvorsorge zum Beispiel mithilfe des Pensionskonto-Rechners ermittelt. Erst danach geht es um die Veranlagung und hier bin ich eine große Befürworterin von Investmentfonds.

Warum?
M. B.: Fonds lassen sich flexibel und dank unterschiedlicher Risikostufen für die mittel- und langfristige Vorsorge einsetzen. Durch ihre breite Streuung wird das mit dem Kauf von Einzeltiteln verbundene erhöhte Verlustrisiko vermieden. Beim langfristigen Vermögensaufbau empfehle ich, Fonds in höheren Risikostufen zu bevorzugen, weil die Ertragschancen hier am größten sind, die Kursschwankungen sich aber auf lange Sicht ausgleichen. Werden die Fonds dann im Versicherungsmantel bespart, wird keine Wertpapier-KESt in Höhe von 27,5 Prozent fällig.

Zur Person
Dr. Marietta Babos ist Gründerin der unabhängigen Plattform „Damensache“, die Frauen bei der Altersvorsorge unterstützt, und Autorin des gleichnamigen Buches. Weitere Infos unter: www.damensache.at