FONDS exklusiv: Wie bewerten Sie die Lage unseres staatlichen Pensionssystems? Besteht hier Handlungsbedarf seitens der Politik?
Sonja Brandtmayer: Das österreichische Sozialsystem zählt weiterhin zu den leistungsfähigsten, steht jedoch – insbesondere aufgrund des demografischen Wandels – vor finanziellen Herausforderungen. Eine nachhaltige Weiterentwicklung des Pensionssystems gehört daher zu den zentralen Aufgaben der neuen Regierung. Angesichts der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und der damit verbundenen steigenden Ausgaben für Pensionen ist es wichtig, das System zukunftsfit zu gestalten. Ziel ist es, langfristige Stabilität zu gewährleisten, Altersarmut vorzubeugen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern.
Die Wiener Städtische macht sich seit langem für die private Altersvorsorge stark. Wie entwickelt sich die Lebensversicherung im derzeit schwierigen wirtschaftlichen Umfeld?
S. B.: Die schwachen Wirtschaftsaussichten in Verbindung mit den geopolitischen Unruhen, aber auch die spürbar zunehmenden Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels führen zu Verunsicherungen. Gerade in solchen Zeiten suchen Menschen Halt und Sicherheit und genau das bieten wir als Versicherung. So konnten wir als größter heimischer Lebensversicherer – entgegen dem Markttrend – auch im Vorjahr einen klaren Aufwärtstrend bei Neuabschlüssen in der privaten Pensionsvorsorge verzeichnen. Nach wie vor sehr stark ist die Nachfrage nach fondsgebundenen Lösungen, bei denen wir 2024 um mehr als zwölf Prozent gewachsen sind. Mit dieser Entwicklung sind wir sehr zufrieden.
Das klingt nach einem perfekten Umfeld für die Lebensversicherung, oder?
S. B.: Nicht ganz, denn um diesen positiven Trend weiter voranzutreiben und die private Altersvorsorge noch breiter aufzustellen, muss rund um das Thema noch viel an Aufklärung und Bewusstseinsbildung getan werden. Vor allem muss der Gesetzgeber die private ergänzende Altersvorsorge möglichst rasch noch deutlich attraktiver machen, damit diese auch einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der ersten Säule beitragen kann. Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch, jetzt ist die neue Regierung am Zug, diese umzusetzen. Denn angesichts des demografischen Wandels und der angespannten Budgetsituation wird die staatliche Pension alleine nicht ausreichen, um den Lebensstandard der Menschen im Alter zu sichern.
Was ist bei einer privaten Altersvorsorge speziell zu beachten?
S. B.: Private Vorsorge sollte stets unabhängig von aktuellen Entwicklungen gesehen und vor allem langfristig gedacht werden, damit sie im Alter ihre volle Wirkung entfalten kann. Und das Wichtigste bei jeder Form der finanziellen Vorsorge ist: Wer früh beginnt, hat am Ende mehr. Um im Alter ein zusätzliches finanzielles Polster zu haben, ist die Bereitschaft, mit einer privaten Vorsorge zu beginnen, der alles entscheidende Punkt. Aus meiner Sicht sollten daher bereits Eltern und Großeltern für ihre Kinder und Enkelkinder mit einer finanziellen Vorsorge starten. Diese übernehmen später den Vertrag und sparen einfach weiter. Damit ist einerseits die Einstiegshürde genommen und auch die Frage „soll ich oder soll ich nicht vorsorgen“ bereits im Vorfeld entschieden.
Aber weshalb ist es überhaupt notwendig privat vorzusorgen, wenn es doch eine staatliche Pension gibt?
S. B.: Private Vorsorge heißt, in die eigene Unabhängigkeit zu investieren. Es ist immer vernünftig, auf zwei Beinen zu stehen – so auch bei der Altersvorsorge. Ein Verlassen auf den Staat oder den Partner wird nicht reichen, um den Lebensstandard im Alter halten zu können. Daher lautet die Devise: Jetzt leben, aber auch für später vorsorgen. Der demografische Wandel sowie die Baby-Boomer-Generation, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand tritt, setzen unser Sozialsystem weiter unter Druck. Schon heute muss jeder vierte Steuer-Euro dazu verwendet werden, die staatlichen Pensionen zu stützen – das wird sich auf Dauer nicht ausgehen. Und klar ist, dass jede Pensionsreform am Ende des Tages für große Teile der Bevölkerung mit einer Senkung der staatlichen Pension verbunden ist.
Was kann man konkret tun?
S. B.: Jeder Einzelne sollte sich mit dem Thema Pension beschäftigen: Welchen Lebensstandard möchte ich im Alter haben? Welche Wünsche möchte ich mir in der Pension noch erfüllen? Wir empfehlen, gemeinsam mit unseren Beratern einen Blick in das Pensionskonto zu werfen und zu analysieren, wie groß die Pensionslücke einmal ausfallen könnte und wie man diese reduzieren kann. Das kann vor allem für Frauen sehr erhellend sein, liegen deren Guthaben im Schnitt um rund ein Drittel unter denen von Männern.
Wie kommt es, dass gerade Frauen im Alter deutlich schlechter versorgt sind als Männer?
S. B.: Frauen haben aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen oftmals einen noch größeren Vorsorgebedarf abzudecken als Männer. Man denke beispielsweise daran, dass Frauen nicht nur aufgrund von Karenzzeiten geringere Pensionsbeiträge ansammeln, sondern im Schnitt auch früher in Pension gehen und dazu noch eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Das heißt, dass ihr Geldbedarf im Alter entsprechend höher ist. Dazu kommt der Gender-Pay-Gap, der bewirkt, dass Frauen für dieselbe Arbeit oft immer noch weniger verdienen als Männer, was große Auswirkungen auf die Höhe der Pension hat. Des Weiteren wird der Anteil der sogenannten geringfügig beschäftigten Frauen immer größer. Und aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis besteht kein Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialsystem – das heißt natürlich auch kein Anspruch auf eine eigene Pension. Zudem fällt der Lohn bei geringfügig Beschäftigten deutlich geringer aus und macht es zusätzlich schwerer, privat vorzusorgen.
Die Wiener Städtische hat dazu eine eigene Kampagne ins Leben gerufen. Worum geht es dabei?
S. B.: Wir stellen das Thema Frauenvorsorge genau aus besagten Gründen seit Längerem in den Fokus. Ziel unserer Kampagne #frausorgtvor ist es, neben einer verstärkten Bewusstseinsbildung auch konkrete Lösungsansätze für Frauen anzubieten. Dafür steht die Dachmarke „Women‘s Selection“, die mit vielen attraktiven Angeboten überzeugt. Das reicht von der Basisabsicherung mit einer prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge oder Lösungen in der fondsgebundenen Lebensversicherung vor allem für jüngere Frauen bis hin zu umfassenden Zusatzpaketen, etwa der Prämienübernahme durch die Wiener Städtische bei Geburt, Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit.
Was denken Sie, welche Rolle wird die Lebensversicherung in zehn Jahren spielen?
S. B.: Neben der privaten Gesundheitsvorsorge und der Sachversicherung, die weiterhin eine stabile Kundennachfrage erfahren, wird die Lebensversicherung weiter Fahrt aufnehmen. Gerade die Entwicklung der Lebensversicherung in all ihren Ausprägungen sehen wir für die Zukunft sehr positiv. Denn um die Kaufkraft im Alter für breite Bevölkerungsschichten aufrechtzuerhalten, ist eine Stärkung der privaten Altersvorsorge – als ergänzende und zukunftsgerichtete Vorsorgeform – unumgänglich und unverzichtbar. Und dafür ist die Lebensversicherung das Produkt der Wahl: Denn nur sie garantiert dem Kunden – bereits bei Vertragsabschluss – eine lebenslange Rente! Das schafft kein anderes Vorsorgeprodukt. Und daher wird die Lebensversicherung auch in Zukunft noch stärker in der Gunst der Österreicher steigen.