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Harris oder Trump?

August 2024
Die US-Präsidentschaftswahlen nahen, die Wirtschaftsprogramme beider Großparteien rücken damit verstärkt in den Fokus. Die Steiermärkische Sparkasse Private Banking liefert eine Analyse.
Steiermärkische Sparkasse
Alexander Eberan (li.), Karl Freidl (re.); Steiermärkische Sparkasse

Die jüngsten Börsenturbulenzen haben viele Anleger überrascht, sind aber angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen nicht ganz unlogisch. Für die kommenden Wochen sollte sich Anleger auf eine verstärkte Volatilität einstellen, da die schwache globale Wirtschaftsentwicklung, die weitere Perspektive bei den Leitzinsen sowie das Superwahljahr 2024 – insbesondere die US-Wahlen – Einiges an Unsicherheiten in die Finanzmärkte bringen, meinen die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking im jüngsten Marktkommentar.

Wahlergebnisse erfolgreich vorherzusagen ist schwierig. In den vergangenen zehn Jahren haben Meinungsforscher und politische Analysten einige bemerkenswerte Prognosefehler gemacht. Bestes Beispiel ist die US-Präsidentschaftswahl 2016, bei der Schätzungen die Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Hillary Clinton auf 71 bis 99 Prozent bezifferten. Die Wahl gewann aber Donald Trump. Ein klarer Vorsprung und ein wiederkehrender Amtsinhaber verringern in der Regel die Unsicherheit und die Volatilität an den Finanzmärkten – beides fehlt derzeit.

Nach dem Rückzug des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden konzentriert sich nun alles auf Vizepräsidentin Kamala Harris, die im November 2024 in der Wahl zum US-Präsidenten als demokratische Kandidatin gegen den Republikaner Donald Trump antritt. Die ersten Umfrageergebnisse zu Harris sprechen für die Entscheidung der Demokraten „mitten im Rennen die Pferde zu wechseln“. Während Donald Trump seine geplante Wirtschaftspolitik bereits recht deutlich kommuniziert hat, ist allerdings über die wirtschaftliche Agenda der neuen Kandidatin bislang nur wenig bekannt.

ARBEITNEHMER, KLIMA UND FRAUEN

Die Einwanderungsproblematik und das Abtreibungsrecht waren bisher ihre Themen, als Wirtschaftspolitikerin hat sich die 59-jährige bislang nicht profiliert. Ihre Laufbahn kann aber Hinweise auf ihre mögliche Agenda geben.

Es wird erwartet, dass Harris die Wirtschaftspolitik Bidens im Großen und Ganzen weiter fortsetzen und eigene Akzente hinzufügen wird. Harris gilt, wie Biden, als arbeitnehmerfreundlich, setzt sich für eine bezahlbare Gesundheitsversorgung sowie für die gleiche und faire Bezahlung von Frauen ein. Sie hat sich oft als Unterstützerin der Mittelschicht und der unteren Einkommensschichten hervorgetan. Dazu passt, dass sie die unter der Präsidentschaft von Trump eingeführten Steuererleichterungen als „Geschenk für Reiche“ kritisierte und sich für eine Erhöhung der Unternehmenssteuern auf 35 Prozent aussprach, was sogar über dem Vorschlag von Biden mit 28 Prozent liegt. Zudem wollte sie die Erbschaftssteuer für Reiche anheben. Es ist daher denkbar, dass sie eine höhere Besteuerung von Unternehmen und Reichen und im Gegenzug Erleichterungen für schwächere Einkommensklassen in die Wege leiten wird.

Harris unterstützt den von Biden auf den Weg gebrachten Inflation Reduction Act, ein de facto Subventionspaket für die Industrie, um erneuerbare Energien zu fördern und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist davon auszugehen, dass sie dieses Programm weiterführen oder sogar erweitern wird.

HARTE HALTUNG GEGENÜBER CHINA

Belastungen für die Märkte ergeben sich aus der weiterhin angespannten Lage des US-Haushalts und den schwierigen Handelsbeziehungen zu China. Bei beiden Themen sind von Harris kaum große Veränderungen zu erwarten. Möglicherweise wird die Vorgehensweise gegenüber China etwas gemäßigter und die Gefahr einer weiteren Zuspitzung des Handelskonflikts geringer.

Am protektionistischen Kurs der US-Wirtschaftspolitik wird sich allerdings unter Harris wenig ändern. Biden hat an vielen, von seinem Vorgänger eingeführten Zöllen – auch gegenüber anderen Ländern außer China –festgehalten oder sogar weitere Handelshemmnisse für bestimmte Branchen angeordnet. Harris dürfte diesen Weg fortsetzen – im Gegensatz zu Trump, der zehn Prozent Zölle auf alle importierten Waren verhängen möchte, was aber die Kosten für die täglichen Ausgaben in die Höhe treiben und damit untere Einkommensschichten stärker belasten würde.

Trumps Wirtschaftspolitik dürfte günstige Auswirkungen auf die Öl- und Waffenindustrie, Gesundheits- und Finanzunternehmen sowie mittelgroße Unternehmen, die von der „Back to America“-Politik und Steuersenkungen profitieren würden, haben. Technologiewerte, erneuerbare Energien und Elektromobilität könnten Vorteile durch eine Wahl von Harris generieren.

Die Auswirkungen von Wahlen auf die Finanzmärkte sind grundsätzlich launisch. Zuletzt zeigte sich bereits ein sprunghafter Anstieg des Volatilitätsindex VIX, der als Maß für die Unsicherheit herangezogen werden kann. Insgesamt dürfte die Verunsicherung an den Märkten zunehmen, bis die Wahlen entschieden sind. Auch andere geopolitische Konflikte, die Zinspolitik sowie die abgeschwächte globale Konjunktur könnten weiter für unruhige Marktphasen sorgen.