Die globalen Aktienmärkte haben sich in den vergangenen Monaten als widerstandsfähig erwiesen. Trotz geopolitischer Spannungen, globaler Unsicherheiten und gemischter Konjunktursignale notieren viele Indizes auf oder nahe ihrer Allzeithochs, konstatiert Jakob Frauenschuh, Leiter Aktien Schoellerbank, und erläutert die Entwicklungen. Der Abbau von Handelsunsicherheit zwischen den USA und der EU, die solide Berichtssaison – insbesondere der großen Technologiekonzerne – sowie die Aussicht auf eine geldpolitische Wende stützen die Stimmung. Derzeit spricht vieles für eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung, doch die Saisonalität und die ambitionierten Bewertungen mahnen zur Wachsamkeit.
ROBUSTE DATEN
Die laufende Berichtssaison bestätigt eindrucksvoll die Widerstandsfähigkeit vieler Unternehmen gegenüber einem weiterhin herausfordernden globalen Umfeld. Vor allem die sogenannten Mega-Caps, also börsennotierte Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung, aus dem Technologiesektor überzeugen mit soliden Ergebnissen. Ihre Gewinne erweisen sich als stabil, die Margen bleiben auf hohem Niveau, was deutliche Indikatoren für die starke Wettbewerbsposition dieser Konzerne sind.
Parallel hat sich der geldpolitische Kurs der führenden Notenbanken stabilisiert. In den USA preist der Markt mit wachsender Sicherheit erste Zinssenkungen noch im Laufe dieses Jahres ein. Dies signalisiert nicht nur ein nachlassendes Inflationsrisiko, sondern eröffnet auch Spielraum für eine freundlichere Liquiditätskulisse, die risikobehaftete Anlageklassen wie Aktien tendenziell unterstützt.
Auch auf geopolitischer Ebene zeigt sich eine gewisse Entspannung: Die Unsicherheit rund um ein mögliches Eskalieren der handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und der EU beeinflusst die Märkte kaum noch. Ein drohender Zollkonflikt scheint vorerst abgewendet, zumal die politische Rhetorik an Schärfe verloren hat und pragmatische Lösungsansätze an Bedeutung gewinnen. In Summe entsteht damit ein Marktumfeld, das zunehmend von Stabilität und berechenbareren Rahmenbedingungen geprägt ist.
In den Sommermonaten herrscht auf dem Börsenparkett traditionell Ruhe, die jedoch jederzeit von aufgeregter Stimmung durchbrochen werden kann. Geringere Handelsvolumina können selbst kleine Irritationen verstärken. Insbesondere August und September gelten als anfällig für Kurskorrekturen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Kursgewinne und der abnehmenden Marktdynamik könnte die Devise „Buy the rumour, sell the fact“ kurzfristig Realität werden.
Die jüngsten Arbeitsmarktdaten aus den USA deuten auf eine spürbare Abkühlung hin. Volkswirte sehen einen Zusammenhang mit dem Anfang April von der US-Regierung ausgelösten Zollkonflikt, der offenbar zu einer Zurückhaltung bei Neueinstellungen geführt hat. Die US-Unternehmen haben die Schaffung neuer Arbeitsplätze deutlich reduziert, was ein Hinweis auf gestiegene Verunsicherungen in den Führungsetagen ist. Der Aktienmarkt reagierte am Tag der Veröffentlichung mit Kursverlusten. In den darauffolgenden Handelstagen kehrte jedoch rasch Zuversicht zurück. Eine Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt erhöht die Wahrscheinlichkeit baldiger Zinssenkungen durch die US-Notenbank und stützt damit die Märkte. Trotz der jüngsten Schwäche bleibt der US-Arbeitsmarkt insgesamt robust; die Beschäftigungsquote liegt weiterhin auf hohem Niveau.
BEWERTUNGEN IM FOKUS
Ein Blick auf die Bewertungslage zeigt: Das vorausschauende Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 – basierend auf den Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate – beträgt aktuell rund 23,9. Damit liegt es rund 27 Prozent über dem 20-Jahres-Durchschnitt. Eine Einordnung ist jedoch nur möglich, wenn die strukturellen Veränderungen berücksichtigt werden. Der Anteil wachstumsstarker Technologieunternehmen im Index ist seit 2015 von 18 Prozent auf fast 40 Prozent gestiegen: ein Faktor, der die Bewertung nach oben verschiebt, ohne zwangsläufig auf eine Überhitzung hinzuweisen.
Ein klareres Bild ergibt sich aus dem gleichgewichteten S&P 500. Dessen vorausschauendes KGV liegt bei 18,8 und damit nur etwa fünf Prozent über dem langjährigen Mittel. In der folgenden Grafik ist deutlich zu erkennen, dass sich die Bewertung des kapitalgewichteten S&P 500 in den vergangenen drei Jahren spürbar von jener des gleichgewichteten Index entkoppelt hat.
Der Aktienmarkt zeigt derzeit also ein geteiltes Bild: Große Technologiekonzerne sowie zunehmend auch junge, wachstumsstarke Unternehmen im Bereich der Künstlichen Intelligenz treiben die Kurse an und dominieren die Marktentwicklung. Die „Glorreichen Sieben“ haben ihren Wert vervierfacht, während sich der Kurs des S&P 500 hingegen nur etwa verdoppelt hat. In weiten Teilen der übrigen Wirtschaft bleibt die Dynamik verhalten und die Kursentwicklung spiegelt eine deutlich gedämpfte Stimmung wider. Das relativiert die Sorge vor einer allgemeinen Überhitzung und spricht eher gegen das Vorliegen einer Aktienmarktblase.
USA: STARKE AKTIENMÄRKTE
Die kräftigen Kursanstiege in den USA bedeuten nicht automatisch, dass der US-Aktienmarkt auch in diesem Jahr – wie so oft in der Vergangenheit – die globale Spitzenposition einnimmt. Aus Sicht von Euro-Investoren fällt die bisherige Bilanz negativ aus: Die deutliche Abwertung des US-Dollars hat einen Großteil der Kursgewinne zunichtegemacht. Im Gegensatz dazu liegen nahezu alle anderen Regionen in der Euro-Betrachtung im Plus.
Die Schwäche des US-Dollar kam für viele Volkswirte überraschend. Angesichts steigender US-Zölle hätte die klassische Lehrmeinung als Folge höherer Importpreise und einer stärkeren Binnenkonjunktur eine Aufwertung des Greenbacks nahegelegt. Doch immer mehr Marktteilnehmer rechnen inzwischen auch für die kommenden Monate mit einem eher schwächeren US-Dollar. Diese Erwartung wird nicht zuletzt auch durch politische Signale gestützt: Der anhaltende öffentliche Druck der Trump-Regierung auf die US-Notenbank, die Leitzinsen rasch zu senken, deutet klar auf den Wunsch nach einer schwächeren Währung hin.
Für die Aktienmärkte ist dies bislang kein Nachteil, im Gegenteil: Eine weiche Währung begünstigt insbesondere exportorientierte Unternehmen. Der US-Technologiesektor, der stark international ausgerichtet ist, profitiert sogar von dieser Entwicklung. Die Dollarschwäche wirkt somit als indirekter Treiber der laufenden Aktienrallye.
KONSTRUKTIVER AUSBLICK
Aus saisonaler Sicht spricht vieles dafür, dass die Aktienmärkte in den kommenden Wochen eher seitwärts tendieren. Zwar kann eine kurzfristige Korrektur – etwa ausgelöst durch geopolitische Störfaktoren oder unerwartet schwache Konjunkturdaten – nicht ausgeschlossen werden, doch das mittel- bis langfristige Umfeld bleibt unterstützend.
Mit dem Abschluss der Berichtssaison zum zweiten Quartal liegen nun die wesentlichen Unternehmenskennzahlen vor. Die Märkte haben auf die Zahlen mehrheitlich gelassen reagiert. Auch verbleibende Unsicherheiten, etwa in der Handelspolitik oder im geopolitischen Umfeld, bringen den Markt aller Voraussicht nach nicht mehr aus der Fassung.
Vor dem Hintergrund hoher Bewertungen in einzelnen Marktsegmenten bleibt ein disziplinierter und selektiver Investmentansatz unerlässlich. Im Fokus stehen Geschäftsmodelle mit solider Bilanzstruktur, stabilen Cashflows und nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Das alles sind Merkmale, die insbesondere bei vielen US-Unternehmen zu finden sind. Angesichts der aktuellen Währungsentwicklung erscheint jedoch eine teilweise Absicherung des US-Dollars sinnvoll.
Aus Bewertungsgründen rücken zunehmend auch europäische Aktien in den Vordergrund. Viele Titel sind deutlich günstiger bewertet und bieten entsprechendes Aufholpotenzial. Mit einem vorausschauenden KGV von 15,5 ist der breite Aktienindex STOXX Europe 600 jedenfalls deutlich günstiger bewertet als sein transatlantisches Äquivalent, der S&P 500. Dennoch bleibt der US-Aktienmarkt das Zugpferd, da die Gewinnentwicklung amerikanischer Unternehmen weiterhin deutlich dynamischer verläuft als jene ihrer europäischen Pendants.
Eine strategische Liquiditätsreserve schafft die nötige Flexibilität, um potenzielle Rücksetzer gezielt für Zukäufe zu nutzen und die Portfolioallokation laufend zu optimieren. Insgesamt gilt: Ein disziplinierter, breit diversifizierter und qualitätsorientierter Investmentansatz ist und bleibt der Schlüssel für langfristigen Anlageerfolg.