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„Abwarten ist keine gute Wahl“

Januar 2024
Trotz eines herausfordernden Altersvorsorge-Markts wird Standard Life seine Ziele fürs Neugeschäft wohl erreichen. Der Head of Distribution & Marketing bei dem Versicherer nennt die Gründe, blickt auf die Kapitalmärkte und ist für 2024 positiv gestimmt.
Standard Life
Christian Nuschele, Standard Life

FONDS exklusiv: Der Inflationsdruck ist spürbar gesunken. Das viel zitierte „Tafelberg“-Szenario scheint sich bei den Zinsen nicht nur durchzusetzen. Die Erwartung, dass erste Zinssenkungen 2024 früher kommen werden als erwartet, löste sogar eine Euphorie an den Aktienmärkten aus. Zu Recht?
Christian Nuschele:
Ja, die Teuerungsrate ist deutlich gesunken, aber die Rückgänge basieren auf Werten des Jahres 2022, in dem schon deutliche Preissteigerungen stattgefunden hatten. Daher ist das Inflationsniveau immer noch relativ hoch, weshalb ich skeptisch bin, ob wir bereits 2024 nennenswerte Zinssenkungen sehen werden. Weitere Zinssteigerungen erwarte ich allerdings nicht mehr.

Die gestiegenen Zinsen haben die Attraktivität von Bankprodukten und Anleihen erhöht. Welche Folgen hat das für die Altersvorsorge?
C. N.: Kurzfristige Kapitalanlagen, wie Tages- und Festgelder, werden wieder verstärkt nachgefragt, weil Zinserträge von bis zu vier Prozent attraktiv erscheinen. Das verleitet viele Menschen dazu, Geld zu parken, um mittel- bis langfristige Anlageentscheidungen, zum Beispiel für die Altersvorsorge, wegen der anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten zu verschieben. Das ist verständlich, führt aber nicht zum Ziel. Im Gegenteil, der spätere Einstieg muss durch Konsumverzicht ausgeglichen werden. Deshalb ist Abwarten keine gute Wahl, und Vermittler tun skeptischen Kunden einen Gefallen, wenn sie sie an ihre ausstehenden Vorsorgeentscheidungen erinnern.

Und bei Anleihen?
C. N.: Die Assetklasse bietet jetzt wieder ein sehr interessantes Chance-Risiko-Profil. Sollten die Zinsen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten beginnen zu sinken, steigen bekanntermaßen die Anleihekurse, sodass sich neben einem attraktiven Kupon spürbare Kursgewinne realisieren lassen. Diese guten Aussichten spiegeln sich einerseits in den Fondsstatistiken wider, die in letzter Zeit bei Anleihefonds die stärksten Mittelzuflüsse ausweisen. Andererseits nehmen wir als reiner Fondspolicen-Anbieter das gesteigerte Interesse bei unseren Vertriebspartnern wahr, die die Portfolios innerhalb des Versicherungsmantels selbst allokieren.

Geht dieser verstärkte Mitteleinsatz zulasten der Aktienquote?
C. N.: Nein, es wird vorrangig Cash abgebaut. Etwa die Hälfte unseres Neugeschäfts sind Einmalerläge und hier fließt der größte Teil der neuen Mittelzuflüsse zunächst in den Cash-Bereich, damit das Kapital dann innerhalb der folgenden drei Jahre entsprechend der Zielallokation der Kunden bestmöglich investiert werden kann. Auf der Aktienseite wird lediglich versucht, das Risiko ein Stück weit rauszunehmen. Wenn ich mir die jüngsten Kurssteigerungen anschaue, erscheint mir das nachvollziehbar.

Sie erwähnten das Neugeschäft. Wie ist es 2023 gelaufen?
C. N.: Erstaunlich positiv. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Jahresende unser durchaus ambitioniertes Neugeschäftsziel erreichen werden. Das ist gegen den Markttrend ein sehr positives Signal – auch für die Zukunft.

Warum erstaunlich, Herr Nuschele?
C. N.: Das Vorsorgegeschäft ist herausfordernd geworden. Die Anlagefreude hat sich infolge gestiegener Lebenshaltungskosten und enger gewordener Haushaltsbudgets in Grenzen gehalten. Aber die Finanzplaner und gewerblichen Vermögensberater, mit denen wir in Österreich stark zusammenarbeiten, haben ihre Kunden offenbar unabhängig von der Gesamtsituation sehr eng und professionell betreut.

Wie sind Ihre Erwartungen mit Blick auf 2024?
C. N.: Ich bin davon überzeugt, dass wir weiter wachsen können. Aus vielen auch persönlichen Gesprächen der jüngsten Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich die Stimmung am Vorsorgemarkt ein gutes Stück aufhellen wird. Mein Ausblick ist  daher positiv. Denn ich denke, dass die Gesprächsbereitschaft und die Entscheidungsfreudigkeit wieder stärker zurückkommen werden. Zudem liefern die Kapitalmärkte gute Argumente.