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Aller Anfang ist schwer

Januar 2024
Weshalb der Blick auf das neue Börsenjahr vielversprechend ist, erklärt Felix Düregger von der Schoellerbank AG in seinem Kapitalmarktausblick.
Schoellerbank AG
Felix Düregger, Schoellerbank AG

Wir blicken auf ein schwieriges Börsenjahr zurück, das zum Jahresende hin noch deutlich ins Positive gedreht hat, kommentiert Felix Düregger, Leiter Anleihen und Währungen – Investment Management & Strategy bei der Schoellerbank AG. Wohlüberlegte Positionierungen machten sich schlussendlich bezahlt, lautet der Grundtenor in seinem Marktausblick.

In den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 hielten einige Trends des Ausnahmejahres 2022 an. Kapitalmarktteilnehmer hatten wie auch im problematischen Jahr 2022 immer noch mit weiter steigenden Renditen zu kämpfen. Die letzten beiden Monate machten den Unterschied. Die Kapitalmarktrenditen haben ihre Höchststände längst hinter sich gelassen, die Zinsen sind immer noch sehr hoch.

Auch die Inflation ist bis zuletzt stark rückläufig. Selbst für die Zukunft haben sich die Inflationserwartungen in die Nähe des Inflationsziels der EZB um zwei Prozent eingependelt. Wir teilen diesen Optimismus nicht. Viele Faktoren sprechen immer noch für strukturell höhere Preise, wie beispielsweise weitere Lieferschwierigkeiten mit unterschiedlichen Ursachen sowie daraus resultierend weitere Deglobalisierungstendenzen. Nicht zuletzt blicken wir auf ungewöhnlich hohe Lohnabschlüsse zurück und sehen auch in der Zukunft harte Verhandlungen: Die Lohnstückkosten zeigen – vor allem in Europa – klar nach oben.

BLICK AUF DIE REALVERZINSUNG

Realverzinsung ist das Thema, das wir auch in Zukunft sehr genau beobachten werden. Seit Jahrzehnten kannten wir diese komfortable Situation nicht: Positive Realverzinsung ist selbst bei den konservativsten Veranlagungen heute wieder darstellbar. Zehnjährige österreichische Bundesanleihen bieten aktuell Renditen von gut 2,5 Prozent, die Inflationserwartung für die kommenden zehn Jahre liegt hingegen nur mehr bei gut 2,10 Prozent. Das bedeutet, dass selbst nach Berücksichtigung der allgemeinen Geldentwertung immer noch ein positives Veranlagungsergebnis zu erzielen ist – wohlgemerkt mit heimischen Bundesanleihen, der konservativsten aller Wertpapiergattungen. Bei Anleihen anderer Staaten oder Unternehmensanleihen sieht das Ergebnis sogar noch deutlich besser aus. Das Gesagte gilt in einer „Buy-and-Hold“-Sichtweise, also wenn Anleihen heute gekauft und bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Natürlich wird es während der Laufzeit zu Kursschwankungen kommen, die vorübergehend vorteilhaft oder auch von Nachteil sein können.

Neben all diesen Beobachtungen befinden wir uns schon länger in einem schwierigen Konjunkturumfeld, kombiniert mit einem knappen Arbeitskräfteangebot sowie den bereits erwähnten hohen Lohnabschlüssen. Zumindest die Konsumnachfrage bleibt immer noch stabil, das muss aber kein Naturgesetz bleiben. Vor allem seitens der Immobilienmärkte sehen wir Wolken aufziehen. Viele europäische börsengehandelte Immobilienunternehmen handeln deutlich unter ihrem Netto-Inventarwert. Die Vergangenheit zeigte schon oft, dass Immobilienmärkte durchaus imstande sind, auch andere Marktsegmente mitzureißen. In so einem Umfeld werden sich vor allem gute Unternehmen behaupten, Qualität steht über allem.

In der aktuellen Marktsituation, in der die Leitzinsen ihren Höhepunkt erreicht haben und die Inflation solide unter Kontrolle ist und bleibt, sind Investor:innen mit lang laufenden Anleihen wesentlich besser positioniert als mit Geldmarktveranlagungen, das bestätigen uns alle historischen Auswertungen. Die „Term-Premium“, also die Mehrrendite für längere Laufzeiten, muss dann nicht mehr mangels Nachfrage weiter ansteigen, sondern findet ihr Gleichgewicht oder wird sogar wieder leicht nachgeben. Viele Bewegungen auf den Kapitalmärkten überschießen zuerst in die eine Richtung, nur um dann wie ein Pendel in die andere Richtung zurückzuschwingen.

Die Aktienmärkte haben sich bis zuletzt ungewöhnlich inhomogen entwickelt. Wenige sehr groß kapitalisierte Tech-Unternehmen haben den ganzen Index mit nach oben gezogen, die US-amerikanische NASDAQ 100 war der Spitzenreiter des Jahres. An der hohen Konzentration der Kapitalisierung weniger Titel in breiten Indizes ist gut zu beobachten, wie einzigartig die Lage ist.

Inhaltlich profitierten vor allem Technologiewerte von teilweise fantastischen Erwartungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz. Ob diese Fantasien nicht überzogen sind, wird sich erst weisen, doch vorerst ist die Schere zwischen Value und Growth stark auseinandergegangen. Eine derartige Divergenz hat in der Vergangenheit nie lange angehalten. Wir rechnen mit einer schrittweisen Auflösung dieser Ungleichgewichte, allerdings nicht – wie nach der Jahrtausendwende – mit Insolvenzen großer Tech-Firmen. Die am besten performenden Unternehmen sind großteils sehr solide und verdienen mit ihren etablierten Produkten gutes Geld. Doch stimmt unseres Erachtens bei einigen Titeln die Bewertung nicht. Kein Gewerbebetrieb würde über Übernahmen in seiner Branche nachdenken, wenn er dafür den 60-fachen Gewinn oder sogar noch mehr bezahlen müsste.

WENIGE ZUGPFERDE

Außerdem drängt sich die Frage auf, wo die kumulierte Kapitalisierung von so wenigen Unternehmen noch hingehen soll: Aktuell machen nur sieben Werte mehr als ein Viertel des US-Marktes aus. Einerseits schränken Index-Betreiber solche starken Gewichtungen oftmals durch ihre Berechnungs-Logik ein, andererseits wird der Druck auf die Politik größer, zum Wohle der Konsumenten hinsichtlich kartellrechtlicher Regelungen noch genauer hinzusehen. Die Vergangenheit hat selbst in dem von freien Kräften der Märkte dominierten Wirtschaftssystem der USA gezeigt, dass allzu mächtige Unternehmen auf Dauer eine große Herausforderung darstellen und regulatorische Maßnahmen nicht auszuschließen sind.

Wir setzen daher bei der Selektion weiter auf Qualität und bleiben damit unserem Investmentprozess treu: Aktieninvestments sehen wir als Unternehmensbeteiligungen. Und solche möchten wir dann eingehen, wenn das Produkt überzeugt, Wettbewerbsvorteile bestehen, die Bilanz gesund ist und nicht zuletzt auch der Preis stimmt.

Unterm Strich blicken wir trotz manch mahnender Stimme optimistisch ins neue Jahr: Alleine die normalisierte Zinssituation bietet für alle Anlageklassen deutlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten, als wir sie in der jüngeren Vergangenheit sahen. Selbstverständlich haben wir für unsere Kunden laufend einen genauen Blick auf die Risiken und bleiben gewappnet, als aktive Asset-Manager unsere Positionierungen auch weiter an neue Umstände anzupassen.