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Chinas Ausblick trübt sich ein

Juni 2023
Die Erholung im Reich der Mitte erfolgt seit Ende der Lockdowns schleppender als erwartet, weshalb Carlos Casanova, Senior-Ökonom Asien bei der Union Bancaire Privée, seine Konjunkturprognose gesenkt hat.
Union Bancaire Privée
Carlos Casanova, Union Bancaire Privée

Die Erholung der chinesischen Wirtschaft setzt sich fort, allerdings dürfte das Wachstum geringer ausfallen als ursprünglich erwartet. Die Schweizer Privatbank Union Bancaire Privée (UBP) hat ihren Wachstumsausblick für China für das Jahr 2023 von 6 auf 5,5 Prozent gesenkt. Auch für 2024 hat die UBP ihre Wachstumsprognose von 5 auf 4,5 Prozent revidiert. Carlos Casanova, Senior-Ökonom Asien bei UBP, nennt in einem aktuellen Marktkommentar drei Gründe für die vorsichtigere Prognose: „Die Erholung wird vom Aufschwung bei Dienstleistungen getragen. Wir rechnen zwar mit steigendem Konsum im zweiten Quartal, allerdings könnte sich der Aufschwung bei verarbeitendem Gewerbe und Kapitalgütern länger als erwartet hinziehen, insbesondere wenn im 2. Halbjahr die Nachfrage aus dem Ausland schwächelt.“

Zuletzt war der Konsum im April um 18,4 Prozent deutlich gegenüber dem Vorjahreswert gestiegen, im März lag das Wachstum noch bei 10,6 Prozent. Zweitens halte sich die chinesische Notenbank aufgrund möglicher Finanzrisiken bei geldpolitischen Lockerungen zurück, was das Wachstum dämpfe. Als dritten Grund führt Casanova den Arbeitsmarkt an: „Obwohl die Arbeitslosenquote zuletzt auf 5,2 Prozent zurückging, hat die Jugendarbeitslosigkeit im April mit 20,4 Prozent einen neuen Höchststand erreicht.“ Das könne sich im Sommer mit der Ankunft neuer Studienabgänger auf dem Arbeitsmarkt noch verschärfen.

HOFFNUNGSSCHIMMER HÄUSERMARKT

Vorsichtig positive Signale macht der UBP-Ökonom im chinesischen Häusermarkt aus. So seien die Absatzzahlen im April um 11,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Insgesamt aber lagen die Investitionen im Immobiliensektor im April noch 6,2 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Erholung am Häusermarkt bleibe zerbrechlich und werde noch einige Zeit benötigen. Die Investitionen in das Anlagevermögen stiegen im April etwas weniger als noch März. Auffällig sei, dass das Wachstum fast ausschließlich von Staatsunternehmen und nicht von Privatunternehmen getragen werde. Casanova rechnet mit sinkenden Gewinnen in der Industrie, was den Druck auf die Unternehmen erhöhen dürfte.

Sowohl Verbraucherpreise als auch Erzeugerpreise gaben im April weiter nach. „Niedrige Inflation ist zwar gut für den Konsum und damit den wesentlichen Wachstumsmotor, allerdings kann Deflation problematisch werden, weil sie mit niedrigeren Unternehmensgewinnen und langsamerer Schaffung von Arbeitsplätzen einhergeht“, so Casanova. Auch die Geopolitik ist ein Risikofaktor: So könnten die fortgesetzten geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA zu sprunghaft steigender Volatilität an den Märkten führen. Außerdem könnte die Verlagerung von Lieferketten weg von China die ausländischen Direktinvestitionen belasten.

ASIENAUSBLICK BLEIBT POSITIV

Insgesamt rechnet die UBP damit, dass asiatische Schwellenländer und China ihren Erholungskurs fortsetzen und schneller wachsen als die Industrieländer. Insgesamt prognostiziert die Bank für 2023 ein Wachstum von 4,3 Prozent in der Region. „In Asien haben wir neben China auch unsere Wachstumsprognosen für Singapur, Australien und Japan gesenkt. Allerdings entwickelt sich in mehreren Volkswirtschaften, darunter Hongkong und Indien, Aufwärtsdruck“, so Casanova.