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Die Chancen mit der KI

November 2023
Die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) auf Mitarbeitende – und welche Einsatzmöglichkeiten KI im Bereich Personal bietet, zeigt Angus Bauer von Schroders auf.
Schroders
Angus Bauer, Schroders

Über eine Milliarde Wissensarbeiter:innen gibt es in der Weltwirtschaft und in einigen, großen Volkswirtschaften macht ihr Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt rund 50 Prozent aus. Die Einbindung von KI in diesen Bereich der Arbeit hat daher das Potenzial zu einem tiefgreifenden Wandel, hat zugleich aber eine hitzige Debatte ausgelöst über die Bedrohung für Arbeitsplätze und die Art und Weise, wie gearbeitet wird. Im Folgenden betrachten wir die Auswirkungen von KI auf Arbeitsplätze, auch angesichts der Erfahrungen durch die Automation. Und wir diskutieren, wie Unternehmen KI einsetzen können, um das volle Potenzial ihrer Belegschaft zu nutzen, erklärt Angus Bauer, Head of Sustainable Research.

Dabei ist zu beachten, dass es sich bei KI um eine neue Technologie handelt, deren Einsatzmöglichkeiten noch nicht vollends klar sind. Daher warnen wir davor, vorzeitige Entscheidungen zu treffen, die womöglich nicht revidiert werden können.

VERNICHTET KI ARBEITSPLÄTZE?

Eine der größten Sorgen im Zusammenhang mit der Einführung von KI, insbesondere großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) wie ChatGPT, ist, dass sie die menschliche Arbeitskraft überflüssig machen könnte. Dabei ist der Schritt, Arbeit zu automatisieren, nicht neu: seit 200 Jahren gehen wir so vor. Bei jeder Welle der Automatisierung verschwinden ganze Aufgabengruppen, aber neue Aufgabenklassen – und neue Arbeitsplätze – entstehen.

Dieser Prozess verläuft nicht ohne Reibungen, und manchmal gehen die neuen Arbeitsplätze an andere Menschen an anderen Orten. Aber im Laufe der Zeit ist die Gesamtanzahl der Arbeitsplätze nicht gesunken, und die Gesellschaft insgesamt hat profitiert.

So deuten Forschungen darauf hin, dass nur einer der 271 Berufe, die in einer Zählung in den USA 1950 aufgeführt waren, aufgrund vollständiger Automatisierung seitdem verschwunden ist. Dabei handelt es sich um den Beruf des Aufzugführers (Bessen, 2016). Geht man noch weiter zurück in die Vergangenheit, stößt man auf den Beruf des Kutschenbauers. Dieser Beruf verschwand aufgrund des technologischen Wandels bis 1950 weitgehend. Gleichzeitig entstanden aber Arbeitsplätze im Bereich des Auto-Karosseriebaus.

Bisher hat die Automatisierung hauptsächlich Arbeitsplätze in der Produktion betroffen. Im frühen 20. Jahrhundert wurden dort Arbeitsabläufe in Einzelaufgaben aufgeteilt, die dann automatisiert ausgeführt werden konnten. Dies ebnete den Weg für die Einführung von Maschinen in Fertigungsstraßen und schuf die Grundlage für Schichtarbeit und Fabriken, die rund um die Uhr produzieren. Lässt sich dieser Prozess auch auf Wissensarbeit anwenden?

Ein typischer Arbeitstag von Wissensarbeiter:innen umfasst eine Vielzahl von Aufgaben. Ein Großteil davon lässt sich nur schwer automatisieren, nicht zuletzt, weil jedes Unternehmen verschiedene Technologiesysteme einsetzt.

Jedoch gibt es bestimmte Aufgabengebiete, für die sich die Automatisierung anbietet, etwa bei der Verbesserung von Geschwindigkeit oder Genauigkeit. Auch bietet die Automatisierung Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, sich auf Kernelemente ihrer Arbeit zu konzentrieren.

PRODUKTIVITÄTSSTEIGERUNGEN

Es gibt einige wissenschaftliche Studien, die sich speziell mit den Auswirkungen von ChatGPT auf Bürotätigkeiten befasst haben. Eine Studie von Noy und Zhang (2023) mit Fachleuten mit Universitätsabschluss ergab, dass unter bestimmten Umständen eine Zeitersparnis von 40 Prozent zu erzielen ist, bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität (insbesondere im unteren Bereich des Spektrums). 2013 veröffentlichte Harvard Business Review Zahlen, die darauf hindeuteten, dass Wissensarbeiter drei Stunden pro Tag mit Schreibtischarbeit verbringen und den Rest ihrer Arbeitszeit für Zusammenarbeit, Besprechungen usw. verwenden. Bei einer Zeitersparnis von 40 Prozent ist es durchaus denkbar, dass Arbeitnehmer:innen, unterstützt durch generative KI, in nur drei Tagen die Arbeit von fünf Tagen erledigen, mit allen verbundenen Auswirkungen auf die Arbeitsleistung und mögliche Veränderung der Work-Life-Balance.

Je mehr wir erkennen, in welchen Bereichen uns die KI-Technologie hilft, desto stärker dürften in der öffentlichen Wahrnehmung unserer Ansicht nach auch die positiven Auswirkungen der Technologie in den Vordergrund treten.

Denn KI erhöht nicht nur die Produktivität des Einzelnen, sondern kann auch fehlende Qualifikationen ausgleichen. Schätzungen zufolge werden weltweit bis zu 85 Millionen Arbeitsplätzen fehlen, was bis zu 8,5 Billionen US-Dollar BIP kosten könnte. KI könnte Unternehmen und Ländern helfen, die mit demografischem oder qualifikationsbedingtem Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben.

Unserer Meinung nach kann KI auch auf vielfältige Weise im Bereich des Personalmanagements genutzt werden etwa zur Qualifikation, Personalplanung und für Investitionen in die Unternehmenskultur. Manche Experten vertreten die Ansicht, dass sich im Laufe der Zeit die Produktionsmittel angleichen und dass das Management der Arbeitskraft so zu einem wichtigen Faktor wird, der über die Steigerung der Renditen entscheidet. Bevor der aktuelle Boom der KI seinen Anfang nahm, waren die wichtigsten produktiven „Vermögenswerte“ in den Wissensindustrien die Menschen. Doch durch die Einbeziehung von KI in den Dienstleistungssektor ändert sich das. Es wird digitale Assets geben, zu denen alle gleichermaßen Zugang haben. Aber je nachdem, wie gut die KI-Modelle auf proprietäre Daten trainiert werden, wie effizient sie genutzt und die Technologien eingesetzt werden, können unterschiedliche Resultate erzielt werden – und das ist zu einem großen Teil vom Personalmanagement abhängig.

KI IN DER WEITERBILDUNG

Die vielleicht offensichtlichste Möglichkeit, KI und große Sprachmodelle in das Personalmanagement einzubinden, besteht im Bereich Weiterbildung. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage der Expert:innen von Jefferies unter Büroangestellten wurde festgestellt, dass 82 Prozent der Befragten bereit wären, ihre Fähigkeiten zu verbessern, wenn sie befürchten müssten, dass ihr Arbeitsplatz durch die Automatisierung wegfallen würde.

Wie aus der PWC-Umfrage „Global Workforce Hopes and Fears Survey 2023“ deutlich wird, sieht etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer:innen die Vorteilen, die KI ihnen bieten kann, vor allem durch neue Fähigkeiten und Chancen, während lediglich ein Drittel eher negativ eingestellt ist.

KI IN DER ARBEITSWELT

In den vergangenen Jahren ist der Druck auf Unternehmen, flexibler zu agieren und mit weniger Ressourcen mehr zu erreichen, enorm gestiegen. Die strategische Personalplanung kann dabei eine zentrale Rolle einnehmen, da sie sich auf Qualifikationen, Wettbewerbsfähigkeit und Ausführung konzentriert.

Die Anwendung großer Sprachmodelle in diesem Bereich hat das Potenzial, die Personalabteilungen agiler zu machen, Mitarbeiter:innen bei der Fortbildung zu unterstützen und die Nachhaltigkeit sowie den Wert des Humankapitals eines Unternehmens im Laufe der Zeit zu steigern. Jede Personalabteilung wünscht sich besseren Einblick in Belegschaft. Die KI kann dazu beitragen, Feedback von den Mitarbeitenden einzuholen, Bewertungen und Freitextantworten auf Umfragen auszuwerten und zusammenzufassen, um so die Stimmung der Belegschaft oder das Burnout-Level zu identifizieren.