Nach einer relativ starken Performance 2025 sind europäische Aktien für weitere Zuwächse im Jahr 2026 gut gerüstet, konstatiert Robert Schramm-Fuchs, Portfoliomanager, Janus Henderson Investors. Er begründet seine Einschätzung:
Sie profitieren von der globalen makroökonomischen Erholung, entspannteren Handelsbeziehungen und groß angelegten strategischen Reformen, insbesondere in Deutschland. Da Europa sich in einer Phase des Wandels befindet, könnte dies für die Unternehmen in der Region in den kommenden Jahren Rückenwind bedeuten. Aber welche Themen dürften dabei im Vordergrund stehen? Fast die Hälfte des europäischen BIP ist exportabhängig. Daher sind die wirtschaftlichen Aussichten der Region untrennbar mit den globalen Trends verbunden, mit den USA und China als größten Handelspartnern. Jegliche Anzeichen für einen wirtschaftlichen Aufschwung in diesen Ländern lassen auf ein günstiges Umfeld für europäische Exporte schließen.
Die Aussichten für die US-Wirtschaft verbessern sich derzeit dank geldpolitischer Lockerungen, fiskalischer Konjunkturmaßnahmen und Deregulierung. Da die Unsicherheiten hinsichtlich der Einfuhrzölle in den Hintergrund treten, stellt das jüngste Handelsabkommen zwischen den USA und Europa einen positiven Meilenstein dar, der grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten beleben könnte – insbesondere im Automobilsektor. Unterdessen verzeichnet China überraschend hohe Konsumausgaben und eine positive Inflationsentwicklung. Dies könnte einen Wendepunkt in den gesamtwirtschaftlichen Aussichten bedeuten, die bislang von langsamem Wachstum, steigender Arbeitslosigkeit und Deflation geprägt waren.
REFORMEN ALS MOTOR
Auf europäischer Ebene erwarten wir im Laufe des Jahres 2026 verschiedene Reformen und Konjunkturmaßnahmen, die die Grundlage für künftiges Wachstum schaffen sollen. Zu den wichtigsten Initiativen zählen die mögliche Lockerung der Kapitalanforderungen für Banken, die Reform des Verbriefungsmarktes und Sammelgesetze zur Straffung der Regulierungsprozesse. Diese Reformen, die mit dem Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit der EU in Verbindung stehen, sollen die Finanzstabilität, die Aussichten und die Attraktivität der Region für Investoren verbessern sowie ein dynamischeres und robusteres wirtschaftliches Umfeld fördern.
Deutschland, oft als Europas Wirtschaftsmotor bezeichnet, hat Reformen im Inland vorangetrieben und damit Erwartungen für eine robuste Wachstumsphase geweckt. Die deutsche Regierung hat einen Kurs der fiskalischen Stimulierung und Deregulierung eingeschlagen, der die Wirtschaftstätigkeit bis 2026 und darüber hinaus ankurbeln dürfte. Diese Entwicklung stärkt nicht nur den deutschen Binnenmarkt, sondern hat auch positive Ausstrahlungseffekte auf europäische Unternehmen außerhalb Deutschlands, die die erforderlichen Waren und Dienstleistungen liefern können.
EUROPA MIT STARKEN ZAHLEN
Banken und Verteidigung waren 2025 wichtige Bereiche auf dem europäischen Aktienmarkt, und wir sehen für beide Sektoren auch 2026 weitere Chancen. Europäische Banken würden am meisten von Reformen im Zusammenhang mit dem Verbriefungsmarkt und den Kapitalanforderungen für Banken profitieren. Außerdem hat die steilere Zinsstrukturkurve die Profitabilität nachhaltig gesteigert. Der Sektor wird unserer Meinung nach immer noch deutlich günstiger gehandelt als in seiner eigenen (wechselhaften) Geschichte.
Ähnlich verhält es sich mit den Verteidigungsaktien, die in diesem Zyklus eine ziemlich außergewöhnliche Rally hingelegt haben: Die langfristigen Aussichten für die Verteidigungsindustrie haben sich durch einen Generationswechsel in der europäischen Wahrnehmung der Notwendigkeit eigener Verteidigungskapazitäten grundlegend verändert.
Der Weg zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine bleibt fragil und ungewiss und führt zu vielfältigen möglichen Ergebnissen für europäische und globale Aktien. Die langfristigen Aussichten für europäische Verteidigungs- und verwandte Aktien werden weiterhin strukturell gestützt, da Europa seine Fähigkeiten modernisieren und ausbauen muss, um seine Abhängigkeit von den USA zu verringern. Und es gibt viel aufzuholen. Die europäischen Streitkräfte sind völlig unterausgestattet und unterversorgt. Die Bemühungen um eine Aufrüstung dürften angesichts des Rückzugs der USA aus Europa und der Ansicht von US-Präsident Trump, dass Europa seine Sicherheitsprobleme selbst lösen muss, mit unveränderter oder sogar beschleunigter Geschwindigkeit fortgesetzt werden.
Längerfristig gesehen eröffnet die erfreuliche Aussicht auf ein geringeres geopolitisches Risiko vielen Sektoren neue Möglichkeiten. Europa dürfte eine führende Rolle beim Wiederaufbauprozess in der Ukraine übernehmen, an dem alle damit verbundenen Branchen teilhaben könnten.
Auch bei weiteren Themen beobachten wir eine zunehmende Dynamik. Die immer schnelleren Investitionen in die KI-Infrastruktur haben Halbleiterausrüstungshersteller und Unternehmen für elektrische Ausrüstung für Rechenzentren wieder ins Rampenlicht gerückt. Generell entwickeln sich Elektrifizierung und Investitionen in Stromnetze zu nachhaltigen strukturellen Wachstumsfaktoren. Der Beginn eines geldpolitischen Lockerungszyklus in den USA ist auch für europäische Unternehmen mit zyklischem US-Exposure ein gutes Zeichen.
RISIKEN BLEIBEN
Die Aussicht auf Reformen in Europa ist unserer Meinung nach in den aktuellen Aktienbewertungen in der Region nicht wirklich berücksichtigt, insbesondere im Vergleich zu den USA. Sollte die Dynamik, die den Wandel vorantreibt, durch politische Unentschlossenheit und/oder schwerfällige bürokratische Prozesse gebremst werden, gibt es dennoch zahlreiche Möglichkeiten für europäische Aktien, Fortschritte zu erzielen.
Ein Aspekt, der unsere Einschätzung der Aussichten für europäische Aktien auf den Punkt bringt: die übereinstimmenden Prognosen für die Unternehmensgewinne in Europa, die zwischen 2025 und 2026 von Jahr zu Jahr deutlich steigen dürften. Die Gewinnzahlen für 2025 wirkten künstlich schlecht, da der starke Euro den Wert ausländischer Gewinne bei der Umrechnung in Euro gemindert hat. Dies war insbesondere für Industrie-, Konsumgüter- und Gesundheitsunternehmen ein Nachteil – Bereiche, von denen wir erwarten würden, dass sie typischerweise stärker von Faktoren beeinflusst werden, die sich auf den Export auswirken. Sollte der erwartete Gewinnanstieg eintreten, könnte dies einen erheblichen Rückenwind für die Bewertungen in Europa bedeuten.

