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„KI-Trends eröffnen Chancen im Gesundheitssektor“

Januar 2024
Eine zunehmende Datenverfügbarkeit und -verarbeitung wird die Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen verstärken, meint Vinay Thapar (CFA), Co-Chief Investment Officer und Senior Research Analyst - US Growth Equities bei AllianceBernstein. Der Portfoliomanager - Global Healthcare sieht innovative Unternehmen, die Kosten senken können, im Vorteil – und nennt drei Merkmale, an denen sich attraktive Titel des Sektors erkennen lassen.
AllianceBernstein
Vinay Thapar, AllianceBernstein

FONDS exklusiv: Gesundheitssysteme befinden sich weltweit im strukturellen Wandel. Welche Impulse ergeben sich daraus für Investoren?
Vinay Thapar: Das Gesundheitswesen ist einer der größten und am schnellsten wachsenden Sektoren der Weltwirtschaft. Die jährlichen Ausgaben belaufen sich auf etwa zehn Billionen Dollar oder rund zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, kurz BIP. Die Ausgaben für das Gesundheitswesen führen jedoch nicht zwangsläufig zu besseren Behandlungsergebnissen. Die USA geben schwindelerregende 18 Prozent ihres BIP – mehr als vier Billionen Dollar im Jahr 2021 – für die Gesundheitsversorgung aus. Dennoch gehören sie zu den Ländern mit den schlechtesten Gesundheitsergebnissen unter den Ländern mit hohem Einkommen und haben laut Commonwealth Fund die höchste Rate an Menschen, die mit mehreren chronischen Krankheiten leben. Verschärft wird dieses Problem durch den anhaltenden Personalmangel in den Kliniken und die hohe Burnout-Quote bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen. Es besteht also ein enormer Bedarf für ein effizienteres Gesundheitssystem für Patienten, Anbieter und die Unternehmen, die sie bedienen.

Die Digitalisierung spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle. Führen die hieraus resultierenden Prozessgewinne zu Mehrwerten für Anleger?
Y. T.: Im Vergleich zu anderen Sektoren war das Gesundheitswesen in unserer hochtechnisierten Gesellschaft bisher ein Nachzügler. Aber die Dinge ändern sich. Unternehmen, die neue Technologien erfolgreich einsetzen, können die Art und Weise, wie Pflege angeboten und erbracht wird, drastisch verändern – und sie sind in verschiedenen Bereichen des Sektors zu finden. Die Künstliche Intelligenz, kurz KI, wird von Unternehmen in gewerblichen Anwendungen eingesetzt. In dem Maße, wie sich die Funktionen der KI verbessern und in größerem Umfang für die Diagnose von Krankheiten genutzt werden, erwarten wir, dass sich Unternehmen, die Software als Dienstleistung für das Gesundheitswesen anbieten, einer größeren Nachfrage erfreuen werden.

Inwieweit wird sich der Einsatz von KI im Gesundheitswesen verstärken?
Y. T.: Die Einführung von KI im Gesundheitswesen wird in den nächsten Jahren aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit von Daten und der beschleunigten Datenverarbeitung an Fahrt aufnehmen. Längerfristig wird der Einsatz von KI im Gesundheitswesen durch die steigende Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen angetrieben, weil die Weltbevölkerung wächst und altert, insbesondere dort, wo es einen hohen ungedeckten Bedarf in Krankheitsbereichen gibt, für die keine Heilungs- oder Behandlungsmöglichkeiten bekannt sind. Darüber hinaus sind steigende Gesundheitskosten für viele Gesundheitssysteme ein großes Problem, und KI hat das Potenzial, zur Kostensenkung beizutragen, indem sie die Effizienz der Leistungserbringer und der an der Entwicklung medizinischer Behandlungen beteiligten Unternehmen verbessert. Insgesamt sind wir daher der Meinung, dass die Verbreitung von KI im Gesundheitswesen ein langfristiger Wachstumstrend sein könnte und den innovativen Charakter der Unternehmen in diesem Sektor verdeutlicht, der mehr opportunistische, offensive Eigenschaften hat, als viele Anleger ihm zutrauen.

Was bedeutet das mit Blick auf die Titelauswahl bei Ihrem Fonds „AB International Health Care Portfolio“?
Y. T.: Wir denken, dass Unternehmen, die innovativ sind und die Kosten senken können, am besten positioniert sein werden, um längerfristig eine Outperformance zu erzielen, da es für Gesundheitsunternehmen immer wichtiger wird, den Wert ihrer Produkte und Dienstleistungen für das gesamte System zu rechtfertigen. Umgekehrt gehen wir weiterhin davon aus, dass Unternehmen, die in erheblichem Umfang Fremdkapital aufnehmen oder große Fusionen und Übernahmen tätigen, um das Gewinnwachstum auf Kosten der Kapitalrendite zu steigern, im Nachteil sein werden.

Das bedeutet konkret?
Y. T.: Während wir ausgewählten Unternehmen aus den Bereichen Arzneimittel, medizinische Geräte und Pflege weiterhin positiv gegenüberstehen, konzentrieren wir uns zunehmend auf Innovationen in Bereichen wie minimalinvasive medizinische Verfahren, Volksgesundheit und Diagnostik.

Welche Voraussetzungen müssen die 40 bis 60 Aktien noch erfüllen, damit sie im Portfolio gelistet werden können?
Y. T.: Auch wenn jede Sparte eine andere Dynamik aufweist, sind wir der Meinung, dass drei Merkmale entscheidend sind, um attraktive Unternehmen des Gesundheitswesens im gesamten Sektor zu identifizieren. Erstens sollten sie Produkte und Dienstleistungen anbieten, die die Ergebnisse der Patientenversorgung verbessern. Zweitens werden Unternehmen, die den finanziell angespannten Gesundheitssystemen helfen können, Kosten zu sparen, wahrscheinlich von verstärkter Nachfrage profitieren. Drittens müssen Produkte, die die Ergebnisse verbessern und Kosten sparen, auch einen Gewinn für das Unternehmen erwirtschaften. Unserer Ansicht nach sind Unternehmen, die über diese drei Eigenschaften verfügen, in einem positiven Ökosystem tätig. Die Dynamik eines gesunden Umfelds bildet die Grundlage dafür, dass Unternehmen Cashflows gewinnbringend reinvestieren können, was im Laufe der Zeit zu einem beständigen Gewinnwachstum beiträgt. Bei der Titelauswahl ist es aus unserer Sicht wichtig, stets auf die Fundamentaldaten der Unternehmen zu achten, anstatt zu versuchen, den wissenschaftlichen Erfolg vorherzusagen, was äußerst schwierig zu bewerkstelligen ist.

Der Gesundheitssektor wird als defensiv bewertet. Was bedeutet das mit Blick auf die Konjunkturanfälligkeit und die mittel- bis langfristigen Ertragsperspektiven von Health-Care-Titeln?
Y. T.: Aus defensiver Sicht profitiert der Sektor von einem stetigen Strom inelastischer Nachfrage, da die Kunden immer Zugang zu den angebotenen Dienstleistungen und Produkten benötigen und diese nutzen werden. Hinzu kommen starke dynamische Trends, die die Innovation in diesem Sektor immer schneller vorantreiben und den Anlegern weltweit attraktive Chancen bieten. Im 21. Jahrhundert erleben wir aktuell einen Innovationsschub, der von der Roboterchirurgie über die Präventivmedizin bis hin zu neuen Diagnosemöglichkeiten reicht, die es uns beispielsweise ermöglichen, einen Bluttest durchzuführen und damit bestimmte Krebsarten im Voraus zu diagnostizieren.

Die auch im kommenden Jahr zu erwartenden Schwankungen stellen demnach kein Hindernis dar, in den Gesundheitsmarkt zu investieren, eher im Gegenteil?
Y. T.: Richtig, ungeachtet der andauernden Unwägbarkeiten konzentrieren sich unsere Analysen weiterhin auf die wirtschaftlichen Grundlagen der Unternehmen. Auch wenn wir für 2024 mit einer anhaltenden Volatilität an den Märkten rechnen, bleiben unsere Philosophie und unser disziplinierter Research- und Portfoliokonstruktionsprozess unverändert. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass der globale Gesundheitssektor für langfristige Anleger eine einzigartige und attraktive Schnittmenge aus Innovation und Widerstandskraft darstellt.

Welche Trends sprechen aktuell für ein Investment im Gesundheitssektor?
Y. T.: Der Sektor verfügt über originäre offensive und defensive Eigenschaften, die ihn zu einem Sektor mit geringerer Empfindlichkeit gegenüber Marktbewegungen und folglich geringerer Volatilität machen. Zudem bestehen starke Nachfragetrends aufgrund des demografischen Wandels durch die alternde Bevölkerung und die Schwellenländer. Innerhalb des Sektors schaffen Innovation und Kostensenkungen Chancen für die besten Unternehmen, Marktanteile zu gewinnen und hohe Erträge zu erzielen. Diese Chancen ergeben sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Innovationstempo und der Notwendigkeit der Kostendämpfung. Ebenfalls wichtig: Das Gesundheitswesen ist weniger stark vom makroökonomischen Umfeld abhängig, aufgrund seiner unelastischen Nachfrage, seiner Preisgestaltungsmacht, seiner Profitabilität und seiner hohen Reinvestitionsraten. Daher ist er unserer Überzeugung nach auch gut positioniert, um mit einer höheren Inflation fertig zu werden.