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Krisenfolgen führen zu kräftigem Minus bei Pensions­veranlagungen

Printausgabe | Oktober 2022
Die Halbjahresbilanz bringt den hiesigen Pensions- und Vorsorgekassen ein dickes Minus. Die Pensionsmanager konnten die deutlichen Verluste in den wesentlichen Anlageklassen Aktien und Anleihen nur begrenzt abfedern. Auch der Ausblick bleibt herausfordernd.
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Das erste Halbjahr 2022 war historisch herausfordernd, geprägt durch eine negative Marktentwicklung über nahezu alle Assetklassen. Hiervon betroffen waren sowohl der Aktien-, wie auch der Fixed Income-Bereich“, sagt Martin Sardelic. Als Auslöser dieser Entwicklungen benennt der Vorstandsvorsitzende der Valida Holding die Zinsanhebungsspekulationen aufgrund einer sich kontinuierlich verschlechternden Inflationsdynamik, Rezessionssorgen sowie den geopolitischen Konflikt in der Ukraine. Infolgedessen fällt die Halbjahresbilanz der Branche mit einem dicken roten Minus deutlich negativ aus, wie die Berechnungen der Österreichischen Kontrollbank AG (OeKB) zeigen (siehe Tabelle).

Ähnlich negativ sind die Veranlagungsergebnisse bei den Betrieblichen Vorsorgekassen. Auf Basis der außer Kontrolle geratenen Inflation (Lieferketten und Ukraine-Krieg) waren die Zentralbanken gefordert und sind es weiterhin, ihre Zinspolitik stark restrik-
tiv zu gestalten, um Zweitrundeneffekte und strukturelle Inflation zu verhindern, heißt es vonseiten des Asset Managements bei der fair-finance Vorsorgekasse und weiter: „Durch die höheren Zinsen bzw. den gleichzeitigen wirtschaftlichen Abschwung konnten Aktien und Anleihen ihre hohen Bewertungsniveaus nicht halten und sind stark abverkauft worden.“ „In diesen klassischen Assetklassen ergab sich im ersten Halbjahr 2022 somit praktisch keine Möglichkeit, positive Performancebeiträge zu generieren“, resümiert Sardelic.

Nennenswerte Erträge konnten lediglich in den Bereichen Private Equity, Immobilien, Infrastruktur und Alternatives erzielt werden, stoßen die Assetmanager der Versorgungseinrichtungen ins selbe Horn. Allesamt Assetklassen, die im Zuge des jahrelangen Niedrigzinsniveaus an Bedeutung gewonnen haben, um die Abhängigkeit vom negativ performenden Anleihesegment zu verringern. Claudio Gligo, Head of Asset Management bei der BONUS Pensionskasse verweist hier zudem auf die eingesetzten „Risk Mitigation Strategies“. Damit sind insbesondere Positionierungen an Futures-Märkten gemeint, die es erlauben, durch Short-Positionen von fallenden Kursen zu profitieren und damit eine „gewisse Abfederung der negativen Performancebeiträge der klassischen Allokationen“ zu erreichen. Bei der fair-finance verweist man ergänzend zu den eingangs genannten Bereichen auf Mikrofinanz und Held-to-Maturity-Anleihen (HtM), also Anleihen, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Auch bei der BONUS schätzt man angesichts gestiegener Renditen dieser Wertpapiere ihren Beitrag zur Verringerung der Volatilität im Anleihesegment sowie im Portfolio insgesamt.

Ein Blick auf die aktuelle Asset-Allokation der österreichischen Pensionskassen bestätigt diese Entwicklungen: Mehr als ein Fünftel des Pensionsvermögens ist inzwischen in sonstigen Vermögenswerten (13,7 Prozent) und in Immobilien (6,9 Prozent) investiert. Zudem stellen Investments vor allem in Aktienfonds längst den größten Anteil und übertreffen den Anleihebereich um rund fünf Prozent. Am Ende des ersten Quartals waren sogar 39 Prozent des Pensionsvermögens an den Aktienbörsen investiert (siehe Grafik).

Längst haben sich die Vorzeichen an den Kapitalmärkten komplett gedreht. Wie gehen die Versorgungseinrichtungen mit den hohen Preissteigerungen und derzeit steigenden Zinsen um? „Klarerweise haben die Inflationsentwicklung und die Gegenmaßnahmen der Notenbanken dazu geführt, dass die Anleiherenditen nahezu auf dem ganzen Globus deutlich angestiegen sind“, sagt Gligo und ergänzt, dass man schon seit geraumer Zeit das Zinsänderungsrisiko, also die Zins-Duration, auf deutlich reduziertem Niveau gehalten hat. Dadurch haben negative Performanceeffekte nicht zur Gänze auf das Portfolio durchschlagen können. „Des Weiteren haben wir zu Beginn des Jahres eine Inflationsstrategie, also eine Anleihestrategie, die von steigenden Inflationserwartungen profitiert, im Einsatz“, ergänzt der Leiter Asset Management bei der BONUS Pensionskasse und verweist auf positive Performancergebnisse in diesem Teilbereich. Auch die Valida Pensionskasse hat dem Portfolio frühzeitig inflationsindexierte Anleihen beigemischt. „Diese zeigten in dieser Phase eine bessere Entwicklung als klassische Anleihen“, sagt deren Vorstandsvorsitzende und verweist noch auf eine Overlay-Strategie, mit der die Duration sowie das Aktienexposure des Portfolios systematisch reduziert wurden, um Verluste zu minimieren.

„Die stark angestiegene Inflation bzw. die daraus resultierenden höheren Zinsen wirken sich grundsätzlich negativ auf das Portfolio aus“, so die Bewertung bei der fair-finance Vorsorgekasse. Um die negative Performance beim Anleiheportfolio abzufedern, wurden Zinsabsicherungen über Short-Zinsfuture-Positionen über diverse Laufzeiten hinweg vorgenommen, um so die Duration (Zinssensitivität) des Gesamtportfolios zu senken. Darüber hinaus schichteten die Assetmanager auf der Anleiheseite in bessere Schuldner um, mit dem Ziel, das Kreditrisiko zu senken, heißt es weiter. Und auf der Aktienseite? Dort hat man Wertpapiere verkauft und den Fokus stärker auf die US-Märkte gelenkt sowie kurzfristige Absicherungen über Aktienindexfutures vorgenommen.

Auch bei der VBV Pensionskasse wurden die Aktienbestände zum Teil abgesichert, um größere Kursverluste zu vermeiden. „Insgesamt ist das Aktienmanagement bei den großen Schwankungen auf Tages- und Wochenbasis allerdings sehr herausfordernd“, betont Günther Schiendl, Mitglied des Vorstandes der VBV – Betriebliche Altersvorsorge und der VBV – Pensionskasse. Die direkten Effekte drastisch gestiegener Preise, Güter- und Ressourcen-Knappheit, Inflationsentwicklung und Zinsanstiege bewertet man dort als vergleichsweise gering. „Zum einen sind wir wenig in US- und EU-Staatsanleihen investiert und zum anderen haben wir sehr kurze Zinsdurationen in unseren Portfolien“, begründet Schiendl.

zurückhaltender ausblick

Bleibt die Frage nach dem Ausblick für den Rest des Jahres und ins Jahr 2023 hinein? „Die Veranlagungswelt erlebt gerade einen Super-GAU, nämlich das Zusammentreffen singulär an sich schon sehr heftiger Ereignisse Krieg, Ressourcenknappheit, extreme Inflation, geänderte Notenbankpolitik, Rezession, globale politische Konfrontation etc.“, sagt das VBV-Vorstandsmitglied. Entscheidend sei allerdings die langfristige Ausrichtung, denn „es wird auch wieder bessere Zeiten geben.“ „Mit steigenden Zinsen und entsprechend höheren Renditen gewinnt eine Veranlagung im Anleihesegment wieder an Attraktivität“, sagt der Valida-Chef und erwartet, dass auch der Aktienmarkt im Jahresverlauf 2023 bei sich abzeichnender Erholung der globalen Konjunktur für die Veranlagung wieder bedeutsamer wird. Bis auf Weiteres will man aber eine risikoaversere Veranlagung beibehalten. Die aktuellen Entwicklungen habe man bereits über eine Reduktion im Anleihebereich sowie eine modellbasierte Absicherung im Aktiensegment weitestgehend antizipiert.

„Im Anleihebereich rechnen wir mit tendenziell weiter steigenden Renditen, solange bis ein nachhaltiger Inflationsrückgang feststellbar ist“, prognostiziert Gligo. Im Aktienbereich sind zwar die Bewertungen durch die Kursrückgänge attraktiver geworden. Allerdings sei zu erwarten, dass bei einer Rezession, die vor dem Hintergrund steigender Zinsen und der Energiekrise in Europa nicht unwahrscheinlich sei, die Unternehmensgewinne deutlich zurückgehen werden. „Vor diesem Hintergrund sind wir derzeit sowohl im Aktien- als auch im Anleihebereich eher defensiv positioniert“, bilanziert der Leiter Asset Management bei der BONUS Pensionskasse.

Auch aus Sicht der fair-finance Vorsorgekasse fällt der Ausblick für die europäischen Volkswirtschaften deutlich negativer aus. Extreme Gaspreise bremsen die Wirtschaft aus und lassen eine Rezession in Europa unausweichlich erscheinen. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen, die merklich zurückgegangen sind, würden diese These stützen. Ebenso verweist man auf weitere Tail-Risiken, wie beispielsweise die stark angestiegenen Schuldenstände vieler Länder weltweit und ein Überschwappen der Immobilienkrise auf andere Branchen in China, was eine Pleitewelle und Rezession auslösen könnte. „Aus diesen Gründen verbleiben wir in unserer Anlagestrategie auf der defensiven Seite und sind deshalb in allen Risiko-Assetklassen taktisch untergewichtet“, hebt man im Asset Management hervor und fügt hinzu: „Speziell in Zeiten großer Unsicherheit zeigen sich aus unserer Sicht die Vorteile eines aktiven Management-Ansatzes sowie einer breiten Streuung der Investitionen.“

Ebenso gilt auch in diesen herausfordernden Zeiten, dass ein langfristiger Vermögensaufbau charakteristisch für die Altersvorsorge ist. So fallen die OeKB-Veranlagungsergebnisse auf Sicht eines Jahrzehnts mit 3,7 Prozent pro Jahr deutlich freundlicher aus. Sollten wir aber auch mittelfristig mit einer erhöhten Inflation leben müssen, wie es jüngst vonseiten des WIFO zu vernehmen war, wird das Erwirtschaften realer Erträge zur Vermögensbildung auch in Zukunft eine Herausforderung bleiben.