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„Net Zero-Ziel bei CO₂-Emissionen schrittweise erreichen“

Juli 2023
Die Verringerung von CO₂-Emissionen bis auf null verlangt große Anstrengungen. Wolfgang Pinner, Leiter Corporate Responsibility bei der Raiffeisen KAG und Andreas Drescher, Program Manager Carbon Reduction bei RHI Magnesita, berichten aus unterschiedlichen Perspektiven über erreichte Lösungen, regulatorische Hürden und Herausforderungen auf dem Weg zum Net Zero-Ziel.
RHI Magnesita - Pernegger / Raiffeisen
Andreas Drescher, RHI Magnesita und Wolfgang Pinner, Raiffeisen

FONDS exklusiv: Herr Drescher, Sie arbeiten als Program Manager Carbon Reduction bei RHI Magnesita. Was sind dort Ihre Aufgaben?
ANDREAS DRESCHER: Ich arbeite seit 25 Jahren in dem Unternehmen. Seit etwas mehr als zwei Jahren koordiniere ich die vielen Projekte und Teams, die sich den vielschichtigen Anforderungen widmen, die mit der notwendigen Dekarbonisierung verbunden sind. Gleichzeitig platziere ich die Themen bei unserem Top-Management, denn es sind große technische Maßnahmen mit sehr hohem Investitionsbedarf erforderlich, um unser Ziel zu erreichen.

Wie lautet das Ziel?
A. D.: Wir haben uns offiziell dazu bekannt, unsere CO2-Emissionen bis 2025 auf Basis der Daten von 2018 um 15 Prozent zu verringern. Zudem haben wir einen Reduktionspfad skizziert, auf dem wir Net Zero mit vielfältigen Maßnahmen 2050 erreichen wollen. Da wir bottom-up planen, wollen wir erst gegenüber unseren Shareholdern und Stakeholdern ein Commitment abgeben, wenn klar ist, wie und in welcher Zeit wir unsere Ziele erreichen können.

Herr Pinner, die Raiffeisen KAG ist Ende letzten Jahres der Net Zero Asset Management Initiative beigetreten. Welche Konsequenzen hat das für die Veranlagung Ihres Hauses?
WOLFGANG PINNER: Richtig, wir wollen Net Zero bei den CO2-Emissionen bis 2050 erreichen. Als Zwischenziele streben wir eine Reduktion von mindestens 25 Prozent bis 2025 an und von mindestens 50 Prozent bis 2030. Dabei geht es zuerst um Scope 1- und Scope 2-Emissionen und dann im Zuge einer besseren Datenqualität entlang der Wertschöpfungskette von Unternehmen später auch um Scope 3-Emissionen. Außerdem gibt es ein Engagement-Commitment, das besagt, dass wir mit den 20 größten Treibhausgas-
emittenten in den Dialog treten. Für uns als Investmentgesellschaft bedeutet das natürlich, dass unser Portfolio laufend besser werden muss.

Was heißt das konkret?
W. P.: Wir haben in den zurückliegenden zwei Jahren kontinuierlich Fonds umgestellt, zusammengelegt oder neu kreiert, auch mit dem Ziel, den gesamten CO2-Fußabdruck zu verringern. Ebenso gilt es, bei neuen Fondsauflegungen die Reduktionsziele mitzudenken. Zudem beobachten und analysieren wir laufend die emissionsintensivsten Branchen, und wir arbeiten daran, die Reduktion der CO2-Emissionen auch auf die einzelnen Fonds herunterzubrechen, vorausgesetzt wir managen die Aktien und Unternehmensanleihen selbst.

Herr Drescher, in welchen Bereichen kommen Sie gut voran und wo sind die Herausforderungen noch groß?
A. D.: Alle unsere Produkte werden unter sehr hohen Temperaturen von bis zu 2.000 Grad Celsius hergestellt, damit sie diesen Temperaturen bei ihrer Verwendung standhalten. Gut voran kommen wir im Bereich Recycling. Das heißt, wir versuchen Feuerfestprodukte nach ihrem Einsatz ähnlich wie beim Glas zu recyceln, statt neue Rohstoffe verwenden zu müssen. Damit geht eine entsprechende Vermeidung von CO2-Emissionen einher. Zweitens gilt es die Produktionsverfahren gerade auch im Hinblick auf ihren Energieverbrauch effizienter zu gestalten und natürlich wollen wir fossile Energieträger ersetzen, was in der Hochtemperaturindustrie aber nur bedingt möglich ist und uns noch vor große Herausforderungen stellt.

Bei der angestrebten Substitution von fossilen Energieträgern geht es um grünen Wasserstoff, oder?
A. D.: Richtig, aber nicht nur. Wir müssen jetzt analysieren und prüfen, wie wir unsere Produktionsprozesse auf den sauberen Energieträger umstellen können. Das ist eine betriebliche Aufgabenstellung, die wir lösen werden. Völlig neu ist hingegen, dass wir uns selbst darum kümmern müssen, wie und woher wir grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen erhalten können. Die größte Herausforderung ist allerdings, dass wir mit den geschilderten drei Maßnahmen nur ein begrenztes Reduktionsmaß an CO2-Emissionen von rund einem Drittel erzielen können. Das liegt darin begründet, dass die Rohstoffe Magnesit und Dolomit, die wir verarbeiten, zu 50 Prozent aus CO2 bestehen.

Welche Ansätze verfolgen Sie, um die technisch nicht vermeidbaren CO2-Emissionen zu reduzieren?
A. D.: Langfristig setzen wir zum Teil auf das Carbon Capture Utilization Storage, kurz CCUS, also die Weiterverarbeitung und Speicherung von CO2-Emissionen. Auf lange Sicht wäre hier der Aufbau eines Pipeline-Netzes denkbar, denn in Österreich selbst, wo wir zwei Rohstoff-Standorte besitzen, darf dieses Verfahren nicht angewendet werden. Einen anderen vielversprechenden Weg gehen wir mit einem australischen Unternehmen, das ein Verfahren entwickelt hat, mit dem CO2 durch ein chemisches Verfahren in ein stabiles wiederverwendbares Mineral zurückgeführt werden kann. Noch ist der Prozess nicht industrialisiert, aber wir planen, an einem unserer beiden Rohstoff-Standorte 2027 eine Pilotanlage in Betrieb zu nehmen.

Herr Pinner, unterstützen Sie Unternehmen bei derartigen Lösungsansätzen im Zuge Ihres Engagements?
W. P.: Ja, wir versuchen natürlich Unternehmen auf dem Weg ihres Transformationsprozesses zu unterstützen. Allerdings sind uns dabei Grenzen gesetzt. Denn unsere Publikumsfonds mit tiefgehender Nachhaltigkeitsstrategie folgen einer strengen Kriteriologie, zum Beispiel bei fossilen Energieträgern und Atomkraft. Unternehmen, die gegen diese Vorgaben verstoßen, weil sie sich am Anfang des Transformationsprozesses befinden, sind daher in der Regel nicht investierbar. Lediglich bei Spezialfonds kann es, je nach Mandat, möglich sein, Unternehmen schon in einer Frühphase aktiv zu begleiten, sofern die Nachhaltigkeitsaktivitäten des Unternehmens dies rechtfertigen.

Gleichzeitig gilt es aber, den sich ständig verändernden regulatorischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.
W. P.: Das stimmt, aber wir werden mit einer noch nie dagewesenen Vielzahl an Anforderungen konfrontiert, die teils auch in die Irre führen. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Eigenständigkeit bewahren. In Europa gibt es Gesellschaften, die das Nachhaltigkeitsthema erst in den letzten zwei Jahren richtig für sich entdeckt und Fonds mit ESG-Filtern auf Basis der Anforderungen der EU-Regulatorik, respektive der Offenlegungsverordnung aufgelegt haben. Ein solcher rein regulatorisch getriebener Ansatz ist nicht der unsrige, wir integrieren die Regulatorik, sehen sie aber nicht als Ausgangspunkt unserer nachhaltigen Anstrengungen. Wir haben einen Aktien- und einen Bondfonds als Artikel 9-Fonds ausgewiesen, und den Rest unserer Nachhaltigkeitsfonds als Artikel 8-Fonds klassifiziert. Daneben wollen wir aber unseren eigenen Weg authentisch weiterverfolgen.
A. D.: Die Regulatorik sorgt für eine Unsicherheit, die es uns erschwert, Investitionen zu tätigen. Denn es wird aus Brüssel ständig nachkorrigiert, und wenn wir als Industrieunternehmen versuchen, eine Lösung zu finden, die sich nicht erst in 15 Jahren realisieren lässt, dann bleibt es offen, ob das seitens der Regulatorik unterstützt wird. Für uns ist es daher sehr wichtig, hier Klarheit zu haben, auch wenn das nur bedingt möglich ist.

Herr Pinner, Sie sagten, dass die Raiffeisen KAG ihren Weg authentisch weiterverfolgen will. Was meinen Sie damit konkret?
W. P.: Wir betrachten das Thema Nachhaltigkeit seit vielen Jahren gesamtheitlich. Der nachhaltige Investmentprozess der Raiffeisen KAG ist auf einer durchgehenden Integration von ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten aufgebaut, wobei dann die ESG-Analyse mit der traditionellen Analyse verbunden wird. Auf der Investmentebene beschäftigen wir uns seit einigen Jahren mit proprietären Research-Clusters mit den Zukunftsthemen Infrastruktur, Rohstoffe, Gesundheit, Ernährung, Kreislaufwirtschaft, Mobilität und Energie, wie es, denke ich, nicht so häufig am Kapitalmarkt vorzufinden ist. Die Themen haben wir intern mit Mitarbeitenden interdisziplinär aus verschiedenen Abteilungen besetzt, die sie unter ganz verschiedenen Aspekten analysieren und bewerten. Im Ergebnis erhält dadurch unser Fondsmanagement wertvolle Informationen für ihre Entscheidungsfindung und gleichzeitig steigt bei uns im Haus das Detailwissen zu den wichtigsten ESG-Themen.

Weitere Informationen finden Sie im Magazin „NACHHALTIG INVESTIEREN“ der Raiffeisen KAG unter: www.rcm.at/publikationen/