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Plastikmüll: Chancen für Anleger

Juni 2023
Im Kampf gegen Kunststoffabfälle zeichnen sich spannende Innovationen ab, auf die Michael Rae bei M&G Investments eingeht.
M&G Investments
Michael Rae, M&G Investments

Michael Rae, Fondsmanager des M&G (Lux) Climate Solutions Fund bei M&G Investments, erläutert, warum Pyrolyse eine wichtige Lösung im Kampf gegen den steigenden Plastikmüll sein kann und wie sich gerade die Hersteller von Konsumgütern mehr anstrengen müssen:

Viele Unternehmen erreichen ihre Ziele zur Reduzierung des Verbrauchs neuer Kunststoffe und zur Erhöhung des Recyclinganteils von Verpackungen nicht. Der Markt für Kunststoffverpackungen wächst sogar weiter. Deshalb setzen sich die Regierungen inzwischen ehrgeizigere Ziele für die Verwendung von recyceltem Kunststoff. Die Pyrolyse, eine Form des chemischen Recyclings, könnte eine innovative Lösung für den Umgang mit schwer zu verarbeitenden gemischten Kunststoffabfällen bieten.

Nur wenige Branchen erhalten ein so strenges Zeugnis wie die Kunststoffverpackungsindustrie. Einer der bekanntesten Berichte über den Stand des Kunststoffrecyclings vom November 2022 ist eine düstere Lektüre. Der Global Commitment Report der Ellen MacArthur Foundation, die sich bei Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft einsetzt, befasst sich mit den Fortschritten bei der langfristigen Zielerreichung der Branche, den Kunststoffverbrauch zu reduzieren und die Nachhaltigkeit zu verbessern.

Im Rahmen der Ziele bis 2025, zu denen sich sechs der zehn weltweit führenden Unternehmen für schnelllebige Konsumgüter (FMCG) verpflichtet haben, muss der Einsatz von Neuplastik in Verpackungen um 5 Prozent pro Jahr sinken. Dieser Wert ist jedoch seit 2018 etwa gleich geblieben. Bei der Erhöhung des Recyclinganteils von Verpackungen sind zwar einige Fortschritte zu verzeichnen. Aber da die führenden FMCG-Unternehmen derzeit durchschnittlich nur etwa 11 Prozent Recyclinganteil in ihren Kunststoffverpackungen verwenden, müssten sie ihre Anstrengungen etwa verdoppeln, um ihre Verpflichtungen, die zwischen 25 und 50 Prozent liegen, zur Mitte des Jahrzehnts zu erfüllen.

PLASTIK-ABHÄNGIGKEIT NIMMT ZU

Die Statistiken, die unsere steigende Abhängigkeit von Kunststoffen verdeutlichen, sind schockierend. Etwa 40 Prozent des weltweit jemals synthetisierten Kunststoffs wurde in den letzten zehn Jahren hergestellt. Fast die Hälfte davon wird für Verbrauchsverpackungen verwendet, von denen nach Angaben der Ellen MacArthur Foundation etwa 95 Prozent nach einmaligem Gebrauch weggeworfen werden – und genau dafür werden sie auch konzipiert. Trotz des steigenden Bewusstseins für das Problem des Plastikmülls verschärft sich die Situation weiter. Selbst wenn sich das Wachstum des weltweiten Kunststoffverbrauchs auf die Hälfte seiner Trendentwicklung abschwächt, wird der Gesamtmarkt nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Normung (ISO) bis 2050 um das 2,5-fache ansteigen.

Das Ausmaß dieser Herausforderung ist den politischen Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt bewusst. Die EU hat sich ehrgeizige Ziele für den Recyclinganteil in allen Kunststoffen und eine Recyclingquote von 50 Prozent aller Kunststoffabfälle bis 2025 gesetzt. Dies ist mehr als nur eine vage Zielvorgabe. Seit Januar 2021 wird auf alle nicht recycelten Kunststoffverpackungsabfälle eine Abgabe in Höhe von 800 Euro pro Tonne erhoben, wobei die Mitgliedsländer die Wahl haben, ob die Abgabe von den petrochemischen Unternehmen, den Verpackungsherstellern, den FMCG-Unternehmen oder direkt von den Verbrauchern getragen wird.

Die USA streben bis 2025 einen Recyclinganteil von 30 Prozent bei Kunststoffverpackungen an. Auch China hat erste Schritte unternommen, indem es 2018 die Einfuhr von unsortierten Kunststoffabfällen verboten hat.

KOMMEN DRASTISCHE VERÄNDERUNGEN?

Wir sind davon überzeugt, dass die Kombination aus dem Nachfragedruck der FMCG-Unternehmen und dem regulatorischen Druck in den kommenden zehn Jahren zu grundlegenden Veränderungen in der petrochemischen Industrie führen wird. Die heutige Kunststoff-Wertschöpfungskette besteht aus milliardenschweren Anlagen, die fossile Brennstoffe in Kunststoffe umwandeln, und zwar auf eine weitgehend lineare Weise. Schätzungen zufolge wird jedoch nach 2030 der gesamte zusätzliche Kunststoffbedarf der Welt aus mechanisch oder chemisch recycelten Quellen stammen.

Die Antwort auf die Frage, wie man eine breitere Palette von Kunststoffrohstoffen verarbeiten kann, liegt im „chemischen“ Recycling, das sich in zwei große Technologien aufteilt: „Pyrolyse“ und „Monomere“-Recycling. Nach unserer Analyse sehen wir die Pyrolyse vorn. Dabei werden gemischte Kunststoffabfälle mit Hilfe von Wärme und unter Ausschluss von Sauerstoff in ihre ursprünglichen Kohlenwasserstoffbausteine zerlegt. Bei einigen Kunststoffen können dabei zwar höhere Treibhausgasemissionen entstehen als bei der Verwendung von neuem Harz. Dennoch ist dieses Verfahren besser für die Umwelt, da ansonsten ein Großteil der verwendeten Kunststoffrohstoffe entweder in Müllverbrennungsanlagen verbrannt wird oder auf Deponien langsam verrottet. Die Kunststoffe sind frei von dem beim mechanischen Recycling üblichen Abbau und eignen sich für lebensmitteltaugliche Anwendungen, was für FMCG-Unternehmen von zentraler Bedeutung ist.

PYROLYSE HAT POTENTIAL

In der petrochemischen Industrie zeichnen sich nun einige ernsthaft angestrebte Ziele ab, die das Wachstum der Pyrolysebranche in diesem Jahrzehnt unterstützen werden. TotalEnergies produziert heute 60.000 Tonnen hochwertige Kreislaufpolymere und will diesen Wert bis 2030 auf eine Million Tonnen steigern. In ähnlicher Weise will INEOS bis 2030 mindestens 850.000 Tonnen recycelte und biobasierte Polymere in seine Produkte einbauen; heute sind es nahezu null. Beide Unternehmen haben Pyrolyse-Partnerschaften mit Plastic Energy, einem Unternehmen, an dem M&G Catalyst beteiligt ist, angekündigt.

Wir alle werfen unsere Kunststoffbehälter in die richtige Tonne, und gehen davon aus, dass die Recyclingindustrie den Rest erledigt. Doch obwohl die Wertschöpfungskette des werkstofflichen Recyclings in beeindruckender Weise gewachsen ist, um bestimmte Abfallströme zu bewältigen, brauchen wir jetzt innovative Pyrolyse-Lösungen, um den Rest zu bewältigen. Dies ist der Weg, um die 14 Prozent Kunststoff, die derzeit recycelt werden, in Richtung der 70-80 Prozent – wie in der Papier- und Glasindustrie – zu steigern – also auf ein Niveau, das jetzt sowohl von der Industrie als auch von den politischen Entscheidungsträgern ausdrücklich angestrebt wird.