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Positives Momentum im April

April 2023
Stefan Breintner, Leiter Research und Portfoliomanagement von DJE Kapital AG, gibt eine Einschätzung zur weiteren Börsenentwicklung und geht auf mögliche Risikofaktoren ein.
DJE Kapital AG
Stefan Breintner, DJE Kapital AG

Die Markttechnik unterstützt die Börsen zurzeit: Der Optimismus der Anleger ist nicht zu groß, und der Saisonrhythmus verleiht Rückenwind. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Zinsschritt in den USA gesunken. Darüber hinaus gibt es jedoch Warnsignale, zum Beispiel eine schrumpfende Geldmenge und eine schlechtere Kreditvergabe seitens der Banken.

Die Inflationsentwicklung und die Notenbankpolitik bleiben auf absehbare Zeit die bestimmenden Themen für die Börsen. Zudem werden Nachrichten aus dem Banken- und Immobiliensektor im Fokus stehen: Gerade gewerbliche Immobilienkredite – vor allem bei US-Regionalbanken – bleiben ein Risikofaktor. Die Probleme im Bankensektor und eine nachlassende Inflationsdynamik erhärten die Vermutung, dass wir nun langsam am Ende des Zinserhöhungszyklus angekommen sind. Die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Zinsschritt der US-Notenbank (Fed) am 03. Mai 2023 liegt bei nur noch 50 Prozent.

Mit Blick auf den April könnte das positive Momentum an den Märkten weiter anhalten. Rückenwind kommt von der Markttechnik und dem Saisonrhythmus. Mit Blick auf das zweite Halbjahr 2023 erscheinen uns aber die Erwartungen des Marktes hinsichtlich Zinssenkungen als zu optimistisch. Ferner dürften die Banken deutlich wählerischer bei der Bewilligung von Krediten werden, so dass die dann insgesamt rückläufige Kreditvergabe die Wirtschaftsentwicklung bremsen sollte. Wir bleiben daher bei unserer Annahme, dass wir ein besseres erstes Halbjahr 2023 an den Börsen erwarten und eine schwierigere zweite Jahreshälfte. Das Chance-Risiko-Verhältnis an den Anleihemärkten erachten wir als unverändert attraktiv. Selektive Chancen dürfte es auch in ausgewählten Schwellenländer-Regionen geben.

FUNDAMENTALER AUSBLICK

• Preisrückgang für US-Gewerbeimmobilien möglich – mit Folgen für US-Regionalbanken

• Schlechtere Kreditvergabe und verzögerte Wirkung der Geldpolitik belasten vor allem mit Blick auf 2024

• Chinas Öffnung positiv für chinesisches und asiatisches Wachstum

• Öl- und Energiemarkt könnte sich im zweiten Halbjahr einengen

Wir beobachten die Situation im Bereich der Gewerbeimmobilien, vor allem in den USA, weiterhin sehr genau. Das Volumen gewerblicher Kredite bei US-Regionalbanken beträgt rund 3.000 Mrd. US-Dollar (USD) (im Jahr 2005 waren es ca. 800 Mrd. USD). Problematisch dabei ist die zunehmende Leerstandsquote, die in einigen Regionen bereits bei ca. 18 Prozent liegt. Sollte es zu einer Verkaufswelle kommen, dürften die Preise für US-Gewerbeimmobilien stark fallen. Bei Annahme eines Preisrückgangs von 20 Prozent säßen US-Regionalbanken auf ca. 600 Mrd. USD an faulen Krediten.

Dies- und jenseits des Atlantiks dürften die Banken wählerischer bei der Bewilligung von Krediten werden. Wenn sich die Kreditvergabe der Banken sowohl in den USA als auch in Europa verschlechtert, hat das Einfluss auf die Konjunktur insgesamt. Mittelfristig erwarten wir nachgebende Frühindikatoren und eine schwächere Gewinnentwicklung in einigen Sektoren. Daher erscheinen uns – mit Blick auf 2024 – viele Wachstumsprognosen zu optimistisch. Außerdem berücksichtigen die aktuellen Prognosen aus unserer Sicht nicht die zeitliche Verzögerung, mit der die restriktive Geldpolitik, sprich: die einzelnen Leitzinserhöhungen, wirksam wird. Eine Leitzinserhöhung kommt in der Wirtschaft zumeist erst mit einem Abstand von rund sechs Monaten an.

Chinas schnelle Öffnung, das heißt der Abschied von seiner Null-Covid-Strategie, ist positiv für das chinesische und asiatische Wachstum. Sie wirkt aber auch inflationär. In China entwickeln sich vor allem der Service- und Reise-Sektor aktuell sehr gut. Auch auf den Immobilienmärkten stabilisiert sich die Situation. Für die Weltwirtschaft ist der Impuls, der von der Öffnung Chinas ausgeht, vermutlich etwas geringer, da bisher zunächst verstärkt lokal konsumiert wird.

Die OPEC, die Organisation ölproduzierender Länder, hat jüngst eine Produktionskürzung bekanntgegeben, um den Ölpreis zu stabilisieren. Der Schritt hatte die Märkte überrascht. Der Ölmarkt könnte sich im zweiten Halbjahr wieder einengen. Für Europa könnten daraus im kommenden Winter Versorgungsschwierigkeiten in der Gasversorgung resultieren beziehungsweise nicht ausgeschlossen werden.

MONETÄRE EINSCHÄTZUNG

• Gesamtinflation sinkt, Kerninflation bleibt hartnäckig

• Zinskurve wird wieder steiler – ein Belastungsfaktor für Aktien

• Anleihen insgesamt weiter negativ, aber ausgewählte hochwertige Anleihen mit attraktiver Verzinsung

• Geldmenge schrumpft: Kein monetärer Rückenwind für die Börsen

In den USA sollte die Gesamtinflation in den kommenden Monaten weiter zurückgehen. Auch in der Eurozone dürfte die Gesamtinflation energiepreisgetrieben fallen. Verbesserungen bzw. Rückgänge der Inflationsrate nehmen den Zentralbanken den Druck und verringern die Notwendigkeit weiterer Zinsschritte.

Anders sieht es mit der Kerninflation aus, die ohne die Komponenten Energie und Nahrung gemessen wird. Sie ist hartnäckiger und dürfte bis auf Weiteres weniger stark fallen als die Gesamtinflation. Inflationskomponenten wie Mieten oder auch Dienstleistungen werden erst mit Zeitverzug zurückkommen Das heißt, dass zu viel Optimismus hinsichtlich schneller Zinssenkungen noch in diesem Jahr aus unserer Sicht nicht angebracht ist.

Anscheinend beurteilt der Markt die Zinsentwicklung generell wesentlich optimistischer als die Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) der US-Zentralbank. Nun ist die US-Zinskurve weiterhin invers, das heißt, zweijährige US-Staatsanleihen werfen eine höhere Rendite ab als zehnjährige, obwohl deren Risiko aufgrund der längeren Laufzeit höher ist. Diese Situation gilt als Signal für eine kommende Rezession. Allerdings geht die Inversität langsam zurück, und die Zinskurve wird wieder steiler. Dieses „Bull steepening“ war in der Vergangenheit eher ein Belastungsfaktor für den Aktienmarkt.

Da die Inflationspolitik in den USA schärfer ausfällt als im Euroraum, dürfte die US-Inflationsrate schneller zurückgehen als die europäische. Das ist tendenziell positiv für den US-Anleihemarkt. Allgemein bleibt das Sentiment jedoch negativ für Anleihen. Hier bleibt die gezielte Auswahl gefragt. So sehen wir unverändert Chancen, etwa bei hochwertigen Unternehmensanleihen mit einer Bonitätseinstufung von AA oder A und einer attraktiven Verzinsung.

Die Entwicklung der Geldmenge war historisch betrachtet immer der Faktor, der den größten Einfluss auf die Börsen hatte. Aktuell wächst die Geldmenge M1 in den USA nicht mehr, und die US-Überschussliquidität ist negativ. Damit ist zurzeit weniger beziehungsweise zu wenig überschüssiges Geld für Aktieninvestitionen im Wirtschaftskreislauf.

MARKTTECHNIK

• Starker Pessimismus ist antizyklisches Kaufsignal

• Positiver Saisonrhythmus

Die aktuelle Markttechnik wirkt weiterhin unterstützend für die Börsen. Es herrscht kein zu großer Optimismus an den Märkten. Das ist positiv, da die Stimmung bei möglichen schlechten Nachrichten weniger stark in Enttäuschung umschlagen dürfte. In diesem Zusammenhang ist der stark ausgeprägte Pessimismus bei Anlegerumfragen der AAI (Association of American Individual Investors) in den USA ein antizyklisch positives Kaufsignal. Außerdem ist der Saisonrhythmus aus historischer Sicht positiv: Der Monat April hat sich in fast jedem dritten Präsidentschaftsjahr seit 1950 (in 93 Prozent der Fälle) gut entwickelt.

• US-Dollar mittelfristig stärker als der Euro

• Möglicher „sicherer Hafen“

Der Euro hat sich im März gegenüber dem US-Dollar weiter erholt. Zurzeit herrscht ein relativ hoher Euro-Optimismus. Aus unserer Sicht ist der US-Dollar mittelfristig jedoch die stärkere Währung. Die USA haben grundsätzlich ein besseres strukturelles Wachstum, sind weitgehend energieautark, technologisch in vielen Bereichen führend, deutlich weniger bürokratisch und haben den stärksten und tiefsten Kapitalmarkt. Der US-Dollar könnte auch unter der Annahme eines schwierigeren 2. Halbjahres 2023 als „sicherer Hafen“ wieder stärker gefragt sein.