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Sinkt die türkische Lira noch weiter?

Mai 2023
Die anstehende Stichwahlen in der Türkei belasten die Märkte des Landes. Weshalb auch die türkische Lira weiter sinken könnte, erklärt Richard Briggs von Candriam.
Candriam
Richard Briggs, Candriam

Die Wahlen in der Türkei, denen sich der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Kemal Kılıçdaroğlu stellten, lieferten kein eindeutiges Ergebnis. Denn keiner der Kandidaten erreichte 50 Prozent der Stimmen, weshalb am 28. Mai eine Stichwahl stattfindet. Der Abstand bei den Kandidaten nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen war besonders knapp, konstatiert Richard Briggs, Senior Fund Manager Emerging Market Debt bei Candriam, in seinem aktuellen Marktkommentar. Briggs erläutert die Details und geht auch auf die Folgen ein:

Präsident Erdoğan schnitt mit über 49 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang besser ab als in den Umfragen vor der Wahl. Sinan Oğan und die MHP schnitten ebenfalls besser ab als in den Umfragen vor der Wahl, und es ist nicht klar, ob seine Stimmen in einem zweiten Wahlgang an Kılıçdaroğlu gehen werden. Bei den Parlamentswahlen wird das AKP-geführte Cumhur-Bündnis wahrscheinlich eine Mehrheit im Parlament erreichen. Das verschafft Erdoğan im zweiten Wahlgang eine vorteilhafte Position. Und selbst wenn Kılıçdaroğlu im zweiten Wahlgang einen deutlichen Stimmenzuwachs verzeichnen sollte, müsste er mit einem Parlament regieren, in dem die AKP die Führung hat.

Die Ergebnisse haben mit ziemlicher Sicherheit einen negativen Einfluss auf die Finanzmärkte. So weiteten sich die Credit Spreads unmittelbar nach der Wahl deutlich aus, die Futures am Aktienmarkt gaben stark nach und die Erwartungen für die Leitzinsen gingen wieder auf den unhaltbaren Status quo zurück.

SINKT DIE TÜRKISCHE LIRA WEITER?

Die Währung hat sich aufgrund lokaler Interventionen kaum bewegt, und wenn Präsident Erdoğan an der Macht bleibt, wird dies in nächster Zeit wahrscheinlich auch so bleiben. Das wird allerdings nur mithilfe umfangreicher Interventionen der Zentralbank und lokaler Banken möglich sein und führt langfristig zu größeren Ungleichgewichten, die das Land wird bewältigen müssen.

Die Türkei war schon immer anfällig. Jedoch lebte das Land in den letzten drei Jahren zunehmend auf Pump, finanziert durch Einlagen anderer Zentralbanken, insbesondere der Golfstaaten, sowie durch Einlagen Russlands nach dem Einmarsch in der Ukraine. Diese Ströme dürften jedoch irgendwann zum Stillstand kommen oder sich umkehren. Dann könnte der Druck auf die Währung und die Wirtschaft angesichts solcher anhaltenden Leistungsbilanzdefizite zunehmen, besonders wenn es keinen glaubwürdigen politischen Rahmen gibt, wie es unter der derzeitigen Regierung wahrscheinlich ist.