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Stabile Gesundheit für das Depot

Printausgabe | Januar 2023
Breit aufgestellte Healthcare-Fonds glänzen mit einer klaren Jahres-Outperformance und konnten ihre defensiven Qualitäten unter Beweis stellen. Angesichts überzeugender fundamentaler Treiber könnte sich die Zeit der Kursgewinne fortsetzen.
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Kurzfristig zu denken hat sich für Anleger in der Medizin noch nie ausgezahlt. Selbst angesichts einiger Belastungsfaktoren stimmt die Investmentstory auf mittlere Sicht. Der Healthcare-Sektor kombiniert eine defensive Qualität in seiner Wertentwicklung mit dem überlebenswichtigen Faktor Innovation und sorgt bei Investoren damit für ein sehr vorteilhaftes Chancen/Risiko-Verhältnis. „Für neue Medikamente, die Therapien für bisher unbehandelbare Erkrankungen möglich machen, ist die Nachfrage stets groß. Das Rückschlagrisiko während der Phase der Entwicklung lässt sich durch Investments in unterschiedlichen Therapiefeldern gut kontrollieren,“ meint Anne Marden, Managerin des JPM Global Healthcare Fund.

Ihre Kollegin, Erin Xie, Fondsmanagerin des BGF World Healthscience ergänzt: „Der Healthcare-Sektor wird von starken fundamentalen Treibern unterstützt.“ So steige die Zahl der über 80-Jährigen von 2019 bis 2050 von 143 auf 426 Millionen potenzielle Patienten. Dieser demografische Faktor sorge für eine kontinuierlich steigende Nach-frage nach Gesundheitslösungen. Ein starker Wachstumsfaktor sei auch der hohe Innovationsgrad mit therapeutischen Ansätzen von der Biotechnologie bis zur Robotik. Schließlich überzeuge der Sektor auch mit seinen defensiven Qualitäten und der hohen Resilienz gegenüber einer schwachen generellen Konjunkturentwicklung. „Dazu ist der Bereich wenig anfällig gegenüber einer hohen Inflation. In Rezessionsphasen glänzt Healthcare stets mit einem überdurchschnittlichen Gewinnwachstum“, erklärt Xie.

Global Healthcare

GENBASIERTE ERKRANKUNGEN

Die personalisierte Medizin wird als langfristiges Wachstumsthema des Healthcare-Sektors betrachtet, da viele Krankheiten genetischen Ursprungs seien. Eine Therapie ist demnach umso effektiver, je stärker sie an den genetischen Wurzeln ansetzt. So würden viele Krebsformen durch spezifische Genmutationen hervorgerufen. „Gezielte Behandlungen greifen direkt an den genetischen Ursachen an, wie die neuesten mRNA-basierten Krebsvakzine (Impfungen), die eine spezifische Immunantwort auf die Krebszellen hervorrufen. Bei seltenen Erkrankungen, die ebenfalls auf Genmutationen beruhen, werden Gentherapien entwickelt, die den Gendefekt reparieren sollen“, sagt JPM-Fondsmanagerin Marden. So werde etwa vom Schweizer Pharmariesen Roche eine Behandlung der in Kinderjahren verheerenden genbasierten Erkrankung Duchenne’s Muscular Dystrophy erforscht. Da bei seltenen Krankheiten meist nur ein Medikament erforscht wird und mit dem Prädikat der Exklusivität auf den Markt kommt, können die forschenden Unternehmen hohe Gewinnsteigerungen erzielen. Dabei verspricht vor allem die Biotechnologie hohes Chancenpotenzial. „Ich sehe drei bedeutende Wachstumsbereiche: die RNA-Technologie, die Präzisionsmedizin sowie Gene Editing. Über Covid hinaus könnten mRNA-basierte Vakzine und Therapeutika auch in vielen anderen Indikationen, wie zum Beispiel zur Krebstherapie, eingesetzt werden,“ sagt Mario Linimeier, Fondsmanager des Medical BioHealth. So habe das Pharmaunternehmen Alnylam bei Amyloidose einen Ansatz entwickelt, um die Auswirkungen schädlicher Gene mit Hilfe der RNA-Interferenz (RNAi) wirksam zu reduzieren und ihr Fortschreiten zu verhindern. Hier werde die RNA, die zur Ablage abnorm gestalteter Proteine führt, durch komplementäre RNA-Schnipsel außer Gefecht gesetzt.

Zielgenaue Therapien

Dank der Genforschung sollen Therapeutika mit weit größerer Zielgenauigkeit zur Anwendung kommen können, als dies etwa bei der herkömmlichen Chemotherapie möglich sei. „Aktuell sehen wir interessante Chancen in der Onkologie“, betont Xie. Die Fondsmanagerin erläutert, dass Antikörper-Wirkstoff-Konjugate aus einem Antikörper bestehen, der mit einem niedermolekularen Wirkstoff verbunden ist und für die zielgenaue Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt werden. Der Antikörper vermittle die Selektivität für die Zellen und der Wirkstoff habe zelltötende Eigenschaften. Diese Medikamente würden eine deutlich bessere Wirksamkeit bei weniger Nebenwirkungen zeigen als etwa eine Chemotherapie. Ein Beispiel sei eine Therapie bei weiblichem Brustkrebs, die speziell bei Patientinnen mit der HER-2-Genmutation angewendet wird. „Weiters gefallen uns im Segment Medizintechnik neben chirurgischen Präzisions-OP-Instrumenten für minimal-invasive Operationen auch tragbare Hightech-Geräte, wie präzise Glukose-Überwachungssysteme für Diabetiker,“ führt Xie aus. Das klassische Anwendungsgebiet der zielgerichteten Therapien sei die Onkologie. „Zum Beispiel ist die Entwicklung des krebsspezifischen Präparats Lumakras ein Meilenstein in der personalisierten Medizin. Rund ein Viertel aller Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs sind von Tumoren mit KRAS-Mutationen betroffen. Bisher galten solche Krebszellen als therapieresistent.

Gene editing im Vormarsch

Ein vielversprechendes Gebiet sei Gene Editing. Hier werden sogenannte „Genscheren“ genutzt, um das menschliche Genom zu verändern und damit lebensbedrohliche Erkrankungen potenziell zu heilen. „Das Biotech-Unternehmen Intellia publizierte erste positive klinische Daten bei der Stoffwechselstörung Amyloidose, bei der es zu toxischen Ablagerungen im Körper kommt. Das krankheitsverursachende Protein konnte mittels Genschere um 50-90 Prozent reduziert werden,“ erklärt Medical BioHealth-Fondsmanager Linimeier. Und die große Stärke des gezielten Gene-Editing-Verfahrens liege ebenfalls an der hohen Präzision: Hier werde das defekte Gen direkt im Körper repariert, ohne die Einbringung von externem Genmaterial. Darüber hinaus stimme der Einzug von Hightech-Forschungsmethoden positiv. „Pharmazeutika werden anhand individueller genetischer Profile von Patienten entwickelt. Gentests und Biomarker spielen eine immer größere Rolle. Dadurch wird die Wirksamkeit dieser personalisierten Therapien deutlich gesteigert“, weiß Xie und betont: „Diese Wirkstoffklasse ist für 25 Prozent der neuen Medikamentenzulassungen in den USA verantwortlich, da sie in der Lage sind, die Effizienz von Therapien zu steigern.“

Motor Künstliche Intelligenz

Der Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI) ist auch am Healthcare-Sektor nicht spurlos vorüber gegangen: KI komme etwa in der Medikamentenentwicklung zum Einsatz. Sie könne dabei helfen, ein Medikament zu designen, das optimal an ein Protein bindet, welches bei der Entwicklung einer Erkrankung eine wichtige Rolle spielt. KI ermögliche auch Prognosen darüber, welches Molekül aus einer Bibliothek von Medikamentenkandidaten am besten an sein Zielprotein binden sollte. KI komme aber auch im Bereich der Genetik zum Einsatz, etwa bei der Analyse von genetischer Information, um zu prognostizieren, welcher Patient das größere Risiko habe, an einer bestimmten Krebsform zu erkranken. Die Zukunft läge hier in einem simplen Bluttest, der die Entwicklung einer Krebserkrankung bereits im Frühstadium anzeigen könne. Dieser Test wäre etwa auch in der Lage, die Geschwindigkeit der ungehemmten Zellvermehrung bei einem Krebsleiden zu messen. Algorithmen und maschinelles Lernen helfen demnach bei der Identifikation von Biomarkern und beschleunigen die Erkenntnisse über bisher wenig erforschte Erkrankungen um bis zu 30 Prozent gegenüber der Leistung von humanen Forschern.

Biotech mit Aufholpotenzial

Nicht ganz so gut lief es 2022 für das Healthcare-Segment Biotechnologie. Dieses wurde vom Abwärtsschwung der Technologiewerte ebenfalls mit in die Tiefe gerissen. Doch 2023 könnte ein Turnaround stattfinden. „Viele Biotechunternehmen sind gut positioniert und höchst attraktiv bewertet. Zudem werden viele wichtige Innovationen erwartet, mit wachsendem Marktpotenzial der einzelnen Indikationen,“ erklärt Daniel Koller, Head Portfoliomanager bei BB Biotech, dem Biotech-Arm des schweizerischen Vermögensverwalters Bellevue Asset Management. „Ein wichtiger Treiber sei der wachsende Druck auf die Pharmakonzerne. Sie müssten neues Wachstum generieren, denn Schätzungen der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA zufolge verlieren noch in dieser Dekade Blockbuster-Medikamente mit einem Gesamtumsatz von 250 Milliarden US-Dollar ihren Patentschutz. „Wir legen unseren Schwerpunkt auf mittelgroße Biotechunternehmen, die sich durch Innovation und Wachstumsorientierung sowie das Vorhandensein zahlreicher Katalysatoren in expandierenden Pipelines auszeichnen. Die Innovation in der Biotechbranche ist ungebrochen“, sagt Koller und nennt als Beispiel Biomarin mit Roctavian, dem ersten Gentherapeutikum zur Behandlung von schwerer Hämophilie A.

Dazu kommen nun verstärkte Übernahmeaktivitäten der Pharmariesen. Der Auftakt für eine neue M&A-Welle könnte bevorstehen. „So ist Pfizer seit Längerem auf Einkaufstour. Zuletzt hat der Pharmakonzern die größte Transaktion dieses Jahres in der Biotechbranche abgeschlossen und Biohaven für 11,6 Milliarden US-Dollar übernommen. Damit sichert sich Pfizer die Vermarktung von Nurtec, ein Migränemedikament mit einem neuen Wirkmechanismus,“ weiß Koller. Auch aus politischer Sicht befindet sich die Branche in einem guten Umfeld. Mit der jüngsten Gesetzesinitiative würden innovative Medikamente in den USA, dem weltweit größten Medikamentenmarkt, in Zukunft nicht von Preisdeckelungen tangiert. Dies fördere nicht nur die Innovation, sondern auch die Kauflust von Big Pharma, attraktive Biotechfirmen zu akquirieren.

Wachstumsthemen für 2023

Vinay Thapar, Portfoliomanager des AB International Health Care Portfolio, hat drei Investmentthemen identifiziert, die Marktopportunitäten eröffnen: Erstens die Diagnostik. Frühzeitiges Testing werde eine Schlüsselrolle bei der möglichst frühen Diagnose von Erkrankungen spielen. „Wir glauben, dass z. B. Krebs mittels spezieller Bluttests in einem früheren Stadium diagnostiziert werden kann. Derzeit gibt es noch keine derartigen Tests. Dazu kommt das sequenzierte menschliche Genom, das uns dabei helfen wird, neue Angriffspunkte gegen Krankheiten und damit auch Therapien und Medikamente zu erforschen“, erläutert Thapar. Zweitens erachtet das Healthcare-Segment minimalinvasive Therapien und Robotik für interessant. Kleinere OP-Wunden, weniger Komplikationen und schnellere Genesung würden mithelfen, im Gesundheitswesen die Effizienz zu verbessern. Dabei können OP-Roboter ins Spiel kommen, die um ein Vielfaches genauer arbeiten als Chirurgen bzw. diesen dabei helfen, deutlich präziser zu operieren. Das ermögliche es auch den Kliniken, mehr Patienten aufzunehmen.

All diese innovativen Methoden und therapeutischen Ansätze würden auch dabei helfen, Kosten im Gesundheitswesen zu senken und die Profitabilität nicht nur der Healthcare-Unternehmen zu steigern. Drittens wird das Vordringen neuer Technologien in die Healthcare-Branche hervorgehoben. „Bisher war dieser Sektor ein Nachzügler bei der Einführung neuer Hightech-Methoden. Das hat sich schlagartig geändert, z. B. mit Telemedizin. Sie ermöglicht es, Ärzte per Smartphone oder Video-Konferenzschaltung zu konsultieren, ohne stundenlanges Warten in überfüllten Ambulanzen in Kauf nehmen zu müssen“, meint der Fondsmanager. Alles in allem also bietet der Healthcare-Sektor ein stimmiges Bild und gute Aussichten für risikobewusste Anleger.