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Starker Zulauf trotz erster Bremsspuren

Printausgabe | Dezember 2023
Die Fondsbranche setzt weiter auf das Qualitätssiegel für nachhaltige Geldanlagen. Besonders im Fokus: Artikel-8-Fonds.
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Nach Jahren zweistelliger Wachstumsraten erlebt das FNG-Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlagen erstmals ein rückläufiges Interesse: Die Zahl der Fondsbewerbungen ist um neun Prozent auf 283 zurückgegangen. Mit einem Minus von 13 Prozent verringerte sich die Zahl der Häuser, die sich beworben hatten, sogar noch stärker (siehe Schaubild auf der nächsten Seite unten). „Diese Entwicklung ist vermutlich sehr stark der Regulatorik geschuldet“, begründet Roland Kölsch. Der Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen (QNG), die das FNG-Siegel verantwortet, verweist auf die „Principle Adverse Impact“-, kurz PAI-Statements, die Finanzmarktunternehmen erstmals zum 30. Juni 2023 und dann jährlich, einschließlich Veränderungen zum Vorjahr, veröffentlichen müssen.

Nach der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) ist damit die Berichterstattung über „wesentliche nachteilige Auswirkungen“ von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren gemeint. Da die Bewerbungsunterlagen für das FNG-Siegel ebenfalls bis zum 7. Juli 2023 eingereicht werden mussten, seien einige Häuser mit Blick auf begrenzte personelle Kapazitäten auf die Bremse getreten. Unterstützend für diese Entscheidung könnte laut Kölsch noch gewesen sein, dass sich die SFDR-Klassifizierung „Art.-9“-Fonds fälschlicherweise zusehends als Qualitätsmerkmal durchsetzt und die vertriebliche Relevanz des FNG-Siegels somit ein Stück weit untergräbt.
Nach jüngsten Erhebungen des Analysehauses Morningstar spielen Nachhaltigkeitskriterien per Ende September 2023 bei 54,5 Prozent der innerhalb der EU zugelassenen Publikumsfonds keine oder nur eine geringe Rolle. Hingegen sind 40,9 Prozent der Fonds nach Artikel 8 der SFDR klassifiziert und lediglich 3,7 Prozent verfügen über einen Artikel-9-Status. „Durch die Klassifizierungen erhalten Anleger den Hinweis, dass die Fonds ESG-Kriterien berücksichtigen und Transparenzpflichten erfüllen, ein Ausdruck von Nachhaltigkeitsqualität ist es aber nicht“, betont Kölsch und fügt hinzu: „Doch genau diesen Eindruck haben Anleger bei den vergleichsweise gering vertretenen Artikel-9-Fonds, dabei ermöglicht nur eine Qualitätsprüfung, wie sie das FNG-Siegel vorsieht, eine solche qualitative Differenzierung.“

Die Analyse zeigt jedoch, dass die Fonds-Bewerbungen bei Artikel-8-Fonds leicht um acht auf 216 Fonds zugenommen haben, während ihre Zahl bei Artikel-9-Fonds deutlich geringer geworden ist: Gegenüber 101 Fonds im Vorjahr waren es 2023 nur noch 65 Fonds. „Es scheint, dass Investmentgesellschaften vor allem ihre Artikel-8-Fonds durch das FNG-Siegel aufwerten wollen, um aus der große Masse herauszutreten“, sagt der QNG-Geschäftsführer. Ebenfalls interessant: Während diesmal 75 Prozent der Artikel-9-Fonds drei Sterne erhalten haben, gilt dies bei den Artikel-8-Fonds nur für 38 Prozent.

Laut FNG wird das Basissiegel verliehen, wenn alle Kriterien im Bereich Mindestanforderungen erfüllt werden. Ein bis drei Sterne erhalten jene Fonds, die zudem „anspruchsvollere Anlagestrategien“ nachweisen und je nach Bandbreite und Intensität Nachhaltigkeitselemente aus fünf Kategorien umsetzen. Laut Kölsch ist es oft ein Prozess, bei dem sich Gesellschaften auf die Reporting-Anforderungen und qualitativen Verbesserungshinweise des FNG-Siegels einstellen, mit dem Ergebnis, dass die Fonds in den Folgejahren nach der Erstauszeichnung im „Sterne-Himmel“ aufsteigen.

Weiter zurückgegangen ist die Durchfallquote, sie liegt aktuell nur noch bei einem Prozent. Betroffen sind ausschließlich Artikel-9-Fonds. Der Grund: Geforderte Nachweise zur Umsetzung umsatzbasierter Ausschlüsse von in der Regel fünf Prozent und Verstöße gegen die zehn Kernprinzipien des UN Global Compact wurden nicht rechtzeitig geliefert. Auffallend bei den Mindestanforderungen ist der Ausschluss von Fracking und Ölsand, aber nicht von Erdöl. „Öl ist bei Best-in-Class-Ansätzen ein eigener Sektor und in Industrieprozessen bisher nicht in Gänze zu ersetzen“, begründet der QNG-Chef, fügt aber hinzu, dass über künftige Veränderungen gerade verstärkt im FNG diskutiert wird. So könnte eine Umsatzschwelle von 30 Prozent etabliert oder zumindest erreicht werden, dass die Erschließung neuer Ölvorkommen zum Ausschluss führt. Derlei Aktivitäten sind wichtig, um die nach wie vor breite Akzeptanz für das Gütezeichen auch in Zukunft sicherzustellen.