Startseite » Meinungen » Kolumne » Vorsicht vor Enttäuschungen

Vorsicht vor Enttäuschungen

Januar 2024
Ob die Aktienmärkte ihren Höhenflug 2024 fortsetzen und erste Leitzinssenkungen den Börsen weiteren Auftrieb geben werden, kommentiert Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE.
ODDO BHF SE
Jan Viebig, ODDO BHF SE

Es ist richtig, dass die Notenbanken schon über Leitzinssenkungen im Jahr 2024 nachdenken, meint Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE. Doch diese dürften niedriger ausfallen, als es der Markt erwartet. Im Durchschnitt erwarten die Marktteilnehmer derzeit Leitzinssenkungen in den USA und Europa in Höhe von jeweils rund 150 Basispunkten oder 1,5 Prozent. Wir erwarten für 2024 vier Zinssenkungen in Höhe von je 25 Basispunkten.

Sicher, der Rückgang der Inflation in den USA und dem Euroraum hat die Tür für Leitzinssenkungen geöffnet. Doch die Kerninflation, aus der die volatilen Preise für Energie und Lebensmittel ausgeklammert sind, ist immer noch hoch: In den USA lag sie im Dezember 2023 bei 3,9 Prozent, im Euroraum im Dezember 2023 bei 3,4 Prozent. Für die Zentralbanken ist es ratsam, die Zinsen nicht zu schnell zu senken, da der letzte Kampf gegen die Inflation oftmals der schwierigste ist.

Der Aufschwung an den Aktienmärkten im Jahr 2023 konzentrierte sich auf eine Handvoll Aktien. Wir rechnen damit, dass der Einfluss dieser „Magnificent Seven“ im Jahr 2024 zurückgehen und dass der Aktienmarkt an Breite gewinnen wird. Das wäre ein gutes Signal. Denn je breiter eine Aufwärtsbewegung an der Börse ist, desto stabiler verläuft sie erfahrungsgemäß.

Eine erste Richtungsweisung dürfte die in den kommenden Tagen an Fahrt aufnehmende Berichtssaison zum vierten Quartal geben. Das Researchhaus Factset erwartet für das Schlussquartal 2023, dass die Unternehmensgewinne im S&P 500 im Durchschnitt um rund ein Prozent gegenüber dem vierten Quartal des Vorjahres gestiegen sein dürften.

Zu den attraktiven Sektoren zählt Factset weiterhin den Tech-Bereich, der mit vielen Innovationen aufwartet, wie die CES-Messe, die diese Woche in Las Vegas stattfindet, zeigt. Dort setzen Künstliche Intelligenz, vernetztes Fahren und Computerchips dieses Jahr die Themen. Für das Gesamtjahr 2024 sind die Analysten recht optimistisch gestimmt. Für den marktbreiten Index S&P 500 rechnen sie mit einem Gewinnwachstum von 11,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der Eurozone liegen die Erwartungen der Analysten für das Wachstum der Unternehmensgewinne bei 4,7 Prozent.

Fakten wie diese lassen uns für 2024 verhalten optimistisch bleiben. Insgesamt sind wir in Aktien aktuell neutral positioniert. Sollte es zu einem Kursrückgang infolge einer Rezession kommen, die wir derzeit allerdings nicht erwarten, dann werden wir die Aktienquoten deutlich erhöhen. Bei unseren Engagements konzentrieren wir uns weiterhin auf Aktien mit einer hohen Kapitaleffizienz, klaren Wettbewerbsvorteilen, einem hohen strukturellen Wachstum und einer moderaten Bewertung.

Aufgrund der stark gestiegenen Zinsen sind Anleihen wieder eine zentrale Anlageklasse. Allen voran Unternehmensanleihen versprechen attraktive Risikoprämien im Jahr 2024. Anleihekäufer können von Renditen aktuell um die vier Prozent für Euro-Anleihen solider Unternehmen mit einem Rating im Investment-Grade-Bereich profitieren. Somit gehen wir in dieses Jahr 2024 einerseits mit einem klaren Blick auf die Risiken und andererseits mit der Erwartung, dass auch dieses Jahr wieder interessante Anlagechancen bieten dürfte.