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Wasserstoff: Antrieb für die grüne Energiewende

Printausgabe | Juli 2023
Auf der Suche nach Alternativen zu fossilen Energieträgern rückt der Einsatz von Wasserstoff zunehmend in den Fokus. Seine grüne Produktion steht noch einigen Herausforderungen gegenüber, aber es gibt vielfältige Einsatzfelder. Für geduldige Anleger eröffnen die Perspektiven aussichtsreiche Anlagechancen mit Themen-ETFs.
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Die Energiewende schreitet zügig voran. Laut einer Analyse der britischen Denkfabrik Ember Climate stammten 2022 allein in der Europäischen Union (EU) rund 22 Prozent des Stroms aus Solar- und Windkraft, damit anteilig so viel wie noch nie. Der Anstieg an erneuerbaren Energien hilft nicht nur CO₂-Emissionen zu senken.

Solche Energieträger werden auch für die Produktion grünen Wasserstoffs gebraucht. Claus Hecher, Regional Head of ETF Sales DACH and Nordics bei BNP Paribas Asset Management, sieht in grünem Wasserstoff dabei einen großen Hoffnungsträger für die Energiewende. „Er hat das Potenzial, einen Paradigmenwechsel in Schlüsselsektoren der Weltwirtschaft herbeizuführen, etwa deshalb, da er die Dekarbonisierung von Industrien mit hohem Schadstoffausstoß beschleunigt.“

Wasserstoff ist eigentlich unbegrenzt vorhanden. Allerdings kommt das chemische Element mit dem periodischen Symbol H praktisch nur in gebundener Form vor, so etwa in Wasser. Weitere wichtige wasserstoffhaltige Verbindungen sind zum Beispiel Methan – der Hauptbestandteil von Erdgas – sowie Erdöl.

Tatsächlich wird Wasserstoff derzeit vor allem aus fossilen Brennstoffen hergestellt, wodurch sogenannter grauer Wasserstoff entsteht. Ein Verfahren ist die Dampfreformierung und wird etwa in der Industrie eingesetzt. Dazu werden fossile Kohlenwasserstoffe, meist Erdgas, in Wasserstoff umgewandelt, wobei rund 20 Prozent der eingesetzten Energie aber verloren gehen. Als Nebenprodukte fallen zudem Wasserdampf sowie Kohlenmonoxid und CO₂ an, die in die Atmosphäre ausgestoßen werden.

Anders ist es beim blauen Wasserstoff, der zwar genauso wie der graue Wasserstoff hergestellt wird. Allerdings wird das CO₂ aufgefangen und unterirdisch gespeichert, ein Vorgang, der im englischen Fachjargon als Carbon Capture and Storage, kurz CCS, bezeichnet wird. Demgegenüber wird beim grünen Wasserstoff ein anderer Herstellungsprozess angewendet: Hierbei spaltet ein Elektrolyseur – unter Einsatz nachhaltig produzierten Stroms – Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Bei der Herstellung entsteht kein CO₂.

Noch ist der Anteil an nachhaltig hergestelltem Wasserstoff an der Gesamtproduktion gering. Laut dem Global Hydrogen Review 2022 der Internationalen Energieagentur (IEA) wurden 2021 gut 94 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert. Nicht einmal ein Prozent davon entfiel auf nachhaltig produzierten Wasserstoff, zu dem die IEA auch den blauen Energieträger zählt. Das könnte sich ändern. Laut der IEA dürfte bis 2030 die Produktion an nachhaltigem Wasserstoff gut 95 Megatonnen erreichen, somit knapp mehr als die Hälfte der Gesamtproduktion. Zwei Drittel davon dürften auf grünen, ein Drittel auf blauen Wasserstoff entfallen.

INDUSTRIE ALS VORREITER

Zu den großen Abnehmern zählt die Industrie, die bereits beginnt, auf diese Energieträger zu setzen. In Deutschland hat beispielsweise Thyssen vergangenen März einen großen Schritt gesetzt: So soll am Standort Duisburg die erste wasserstoffbetriebene Direktreduktionsanlage von der SMS Group errichtet werden. Ab 2026 soll die Anlage einen Hochofen ersetzen. In der Anlage kann klimaneutral hergestellter Wasserstoff die in klassischen Hochöfen verwendeten Kohle und Koks ersetzen. Damit startet eines der weltweit größten industriellen Dekarbonisierungsprojekte, mit dem jährlich mehr als 3,5 Millionen Tonnen CO₂ vermieden werden können. Auch hat der Konzern eigene Elektrolyseure hergestellt, um grünen Wasserstoff zu erzeugen.

Eine zunehmende Rolle wird Wasserstoff auch beim Transport spielen, einerlei, ob in LKW, der Schiff- oder der Luftfahrt. Dazu werden wiederum Brennstoffzellen eingesetzt. Darin wird die im Wasserstoff gespeicherte chemische Energie wieder in elektrische Energie zurückgewonnen. Ende 2022 gab etwa der Flugzeughersteller Airbus die Planung wasserstoffbetriebener Flugzeuge bekannt. Sie sollen 2035 erstmals in Betrieb gehen. Erste Wasserstoff-LKWs sind längst unterwegs. „Batterien eignen sich nur für Elektrofahrzeuge, aber wegen ihrer Unzulänglichkeiten bei Gewicht, Volumen, Ladezeit und Reichweite nicht für den Schwerlastverkehr“, erläutert der BNP-Experte. Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge bräuchten drei bis fünf Minuten zum Betanken.

Für geduldige Anleger eröffnen sich bei Unternehmen, die an den Entwicklungen mitwirken, langfristige Renditechancen mit entsprechenden Themen-ETFs. Bei Exchange Traded Funds handelt es sich um börsengehandelte Fonds, die in der Regel einen Index abbilden.

Der BNP Paribas Easy ECPI Global ESG Hydrogen Economy – UCITS ETF bildet die Wertentwicklung des ECPI Global ESG Hydrogen Economy (NR) Indexes ab und umfasst 40 Titel. Der Index besteht aus zwei Gruppen, die aus weltweiten Large Caps bestehen. Der eine Teil umfasst Unternehmen, die überwiegend Lösungen anbieten, die zum Kern der nachhaltigen Wasserstoffindustrie gehören. Dazu zählen Hersteller, Lieferanten, die Lagerung sowie wasserstoffbetriebene Verbraucherlösungen.

CLEAN TECH IM FOKUS

Die zweite Gruppe umfasst saubere Energie-Unternehmen, die maßgeblich an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen beteiligt sind und in nachhaltigen Wasserstoffproduktionsanlagen eingesetzt werden. Die USA sind mit rund einem Viertel gewichtet, gefolgt von Frankreich und China. Zu den größten Einzelgewichtungen zählen etwa der japanische Industriegasehersteller Nippon Sanso, Konkurrent Air Liquide aus Frankreich sowie der spanische Versorger Iberdrola.

Mit dem L&G Hydrogen Economy UCITS ETF wird die Wertentwicklung des Solactive Hydrogen Economy Indexes abgebildet. Dazu zählen 27 Unternehmen, die weltweit entlang der Wertschöpfungskette tätig sind, von nachhaltigen Wasserstoffproduzenten und -lieferanten bis hin zu jenen Unternehmen, die den Energieträger verwenden. Zu den Herstellern zählt etwa Siemens Energy, das 2021 in Wunsiedel eine der größten grünen Wasserstoffproduktionen Deutschlands in Betrieb nahm. Linde produziert und liefert Wasserstoff. Toyota Motor Corporation produziert unter anderem Autos, die mit Brennstoffzellen betrieben werden.

Überhaupt ist Japan mit 16 Prozent auffällig hoch gewichtet, gleich nach den USA. Patrik Hanser, Senior Business Development Manager bei Legal & General Investment Management, meint: „Das Land ist seit vielen Jahren führend im Ausbau des Wasserstoffmarktes und rief 2017 als erstes Land entsprechend eine nationale Strategie ins Leben.“

Erst im September 2022 wurde der Invesco Hydrogen Economy UCITS ETF lanciert. Er bildet den WilderHill Hydrogen Economy Index ab und umfasst 55 Unternehmen, deren Technologien sich auf die Nutzung von Wasserstoff, Brennstoffzellen und der Wasserstoffwirtschaft konzentrieren. Regional sind die USA mit knapp 21 Prozent gewichtet, gefolgt von Deutschland und Frankreich. Größte Einzelgewichtung entfällt auf SMA Solar aus Deutschland sowie die französische Neoen. Der Konzern produziert erneuerbare Energien. Takaoka Toko aus Japan bietet Infrastruktur für den Ausbau von Stromnetzen weltweit an.

Auch in diesem Index sind die Unternehmen nicht nur im Bereich des grünen, sondern auch des blauen Wasserstoffs tätig. Christopher Mellor, Entwicklungsleiter Aktienprodukte bei Invesco ETF EMEA, meint dazu: „Der blaue Energieträger ist eine wichtige Übergangslösung bei der Transformation.“

Der Global X Hydrogen UCITS ETF setzt unter anderem stark auf Wachstumsunternehmen wie die norwegische Nel Asa, die grünen Wasserstoff produziert und liefert, sowie Bloom Energy. Der US-Konzern liefert Brennstoffzellen für die stationäre Energieversorgung. Deren Aktienkurse litten stark unter dem Abverkauf von Wachstumsaktien aufgrund steigender Zinsen. Die zwei Titel haben auch im VanEck Hydrogen Economy UCITS ETF die größten Gewichtungen. In Hersteller von Industriegase wird ebenfalls investiert.

Damit wird schnell klar: Nachhaltiger Wasserstoff ist ebenfalls Teil der Energiewende. Die Branche steht zwar erst am Beginn eines langfristigen Trends. Mit diesem Bewusstsein eröffnen sich Anlegern hier aber interessante Anlagechancen in einem der Zukunftsthemen – zwischenzeitige größere Kursschwankungen inbegriffen.