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Wenn die Zinswende später kommt

Februar 2024
Sowohl die EZB als auch die FED haben Hoffnungen auf rasche Zinssenkungen gedämpft. Axel D. Angermann, Chefvolkswirt bei der FERI Gruppe, begründet, warum er die Vorsicht der europäischen und US-Notenbank nachvollziehen kann.
FERI Gruppe
Axel D. Angermann, FERI Gruppe

Sowohl die Fed als auch die EZB haben in den beiden zurückliegenden Monaten keinen grundsätzlichen Kurswechsel, wohl aber eine klare Re-Positionierung vollzogen: Beide Notenbanken schließen weitere Zinserhöhungen praktisch aus, glauben also, mit der derzeitigen restriktiven Ausrichtung ihrer Geldpolitik die Inflationsrate auf das angestrebte Niveau von zwei Prozent drücken zu können, konstatiert Chefvolkswirt Axel D. Angermann bei der FERI Gruppe, in seinem aktuellen Marktkommentar. Er erläutert auch, wie es weiter gehen dürfte.

Beide Notenbanken stellen Zinssenkungen im laufenden Jahr in Aussicht, dämpfen jedoch allzu hochfliegende Erwartungen der Märkte. Fed-Chef Powell stellte vor Kurzem klar, dass Zinssenkungen im März „nicht das wahrscheinlichste Szenario“ seien und EZB-Chefin Lagarde behauptete, es sei für den EZB-Rat überhaupt noch „zu früh, um über Zinssenkungen zu diskutieren“.

WARUM DIE NOTENBANKEN ABWARTEN

Blickt man auf das fundamentale Umfeld, erscheint die Zurückhaltung der Notenbanken berechtigt: Zwar sinkt die Inflation weiter, und insbesondere im Euroraum dürften noch in diesem Jahr Inflationsraten nahe der zwei Prozent-Marke erreicht werden. Zugleich gibt es aber weiterhin signifikante Risiken: Die Preise ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Nahrungsmittel steigen weiterhin zu schnell. Auf das Jahr hochgerechnet legen die aktuellen Werte immer noch eine Inflationsrate von mehr als drei Prozent sowohl in den USA als auch im Euroraum nahe. Die Erreichung des zwei Prozent-Ziels ist also noch nicht gesichert. In dieser Situation ist es in jedem Falle besser, wenn die Notenbanken anhand der aktuellen Datenlage genau analysieren, ob sich die Preisdynamik tatsächlich wie gewünscht abschwächt, anstatt schon mal vorauseilend die Zinsen zu senken und damit womöglich selbst eine wieder steigende Preisdynamik zu begünstigen.

LOHNENTWICKLUNG IM FOKUS

Risiken liegen für beide Notenbanken in der Lohndynamik: Für die USA hat das Congressional Budget Office ausgerechnet, dass die inflationsneutrale Arbeitslosenquote bei 4,4 Prozent und damit um 0,7 Prozentpunkte höher als aktuell liegt. Das bedeutet: Entweder bleibt es wie von der Fed erwartet bei einer niedrigen Arbeitslosenquote mit der Folge signifikanter Risiken für einen Wiederanstieg des Lohnwachstums und damit der Inflation, oder aber es müsste die Arbeitslosigkeit steigen, was aller bisherigen Erfahrung nach eine Rezession der US-Wirtschaft zur Folge hätte. Aktuell brummt die US-Wirtschaft weiter, was zumindest vorerst eher für das erste Szenario als für das zweite spricht. Im Euroraum beobachtet die EZB nach eigenem Bekunden sehr genau die Lohnentwicklung: Im aktuellen Umfeld verschärfter Knappheit auf dem Arbeitsmarkt sind stärkere Lohnsteigerungen denkbar, die einen Wiederanstieg der Inflation oder zumindest ein Verharren auf einem Niveau von mehr als 2 Prozent begünstigen würden.

Auch mit externen Risiken müssen die Notenbanken rechnen: Eine Eskalation der Krise im Nahen Osten mit der Folge drastisch steigender Ölpreise ist weiterhin ein valides Risikoszenario. Zinserhöhungen wären zwar keine angemessene Reaktion auf solch einen externen Schock, aber das Risikoszenario legt für sich genommen ebenfalls eine vorsichtige Vorgehensweise der Notenbanken nahe.

ZINSSENKUNGEN KOMMEN SPÄTER ALS ERWARTET

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die angekündigten Zinssenkungen später kommen und dass es insgesamt weniger Abwärtsschritte sein werden, als viele Marktteilnehmer derzeit erwarten. Dass die Fed bis zum Jahresende sechs Zinssenkungen vornimmt, wäre nur dann wirklich plausibel, wenn es in der zweiten Jahreshälfte zu einer Rezession der US-Wirtschaft käme. Dies würde ein beherzteres Eingreifen der Fed nicht nur ermöglichen, sondern sogar erforderlich machen.