Startseite » Private Banking » Worauf sich Anleger einstellen müssen

Worauf sich Anleger einstellen müssen

Juli 2022
Die Weltwirtschaft ist zwar angeschlagen, jedoch nicht am Ende, betont Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer von Edmond de Rothschild Asset Management.
Edmond de Rothschild AM
Benjamin Melman, Edmond de Rothschild AM

Die nächsten Monate werden darüber entscheiden, welche Zinssätze die Märkte von einer Straffung der Geldpolitik erwarten sollten. Auch wenn die Notenbanken mit ihrer restriktiven Politik spät dran sind, ist Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer von Edmond de Rothschild Asset Management, positiv gestimmt und sieht die Weltwirtschaft zwar angeschlagen, jedoch noch nicht am Ende.

In seinem Ausblick auf das zweite Halbjahr geht er auf die möglichen Szenarien und Risiken, die mit der aktuellen Entwicklung des Zinsniveaus und der Inflation einhergehen ein, und eruiert ob uns eine Rezession bevorsteht:

Die Botschaften der Notenbanken haben sich erheblich verändert. Anfang Juli 2022 erwarteten die Anleger, dass die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed ihre Leitzinsen in einem Zeitraum von 18 Monaten um 280 Basispunkte bzw. um ca. 230 Basispunkte anheben würden. Das wäre ein beeindruckend hohes Tempo. Sollte in Zuge dessen die Inflation rasch zurückgehen, wäre es für die Anleger einfacher, den Verlauf des Zinserhöhungszyklus vorzuzeichnen und abzuwarten, wie sich die Inflation entwickelt. Dies wäre für Anleger ein günstigeres Szenario, weil sie dann hoffen könnten, dass die Notenbanken es schaffen, das Risiko eines Abgleitens in eine Rezession zu begrenzen.

Die Notenbanken würden letztlich Inflationsraten hinnehmen, die über ihre Zielwerte hinaus tendieren. Wegen der anhaltend angespannten Lage am Arbeitsmarkt fällt es den Notenbanken zurzeit leichter, klar gegen die Inflation gerichtete Botschaften zu vermitteln.

Bei welcher Arbeitslosenquote jedoch wäre eine Rückkehr der US-Inflation zum Zielwert der Fed möglich? Nach ihren Streudiagrammen zu urteilen, sind einige Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed der Meinung, dass die Arbeitslosenquote auf 4,1 Prozent – 0,5 Prozentpunkte mehr als zur Zeit – zunehmen müsste, um die Inflation zu stabilisieren. Einen solchen Anstieg hat es bisher nur in einer Rezession gegeben. Die Bewertungskennzahlen weisen aktuell auf einen starken Konjunkturabschwung, nicht aber auf eine Rezession hin.

Sollten die Notenbanken wiederum eine Kehrtwende vollziehen und die Geldpolitik lockern, um die Märkte zu retten, würden sie damit nur ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, die in den letzten Monaten im Zuge der Bekämpfung der Inflation ohnehin schon gelitten hat. Allerdings sucht die EZB nach einer Strategie, mit der sie einer Fragmentierung der Eurozone entgegenwirken und gleichzeitig die Finanzierungskonditionen straffen sowie die Kontrolle über die Spreads der Peripherieländer behalten kann. Es lässt sich noch nicht sagen, ob sie damit Erfolg haben wird. Klar ist: Die Notenbanken sind geschickt darin, mit innovativen Maßnahmen ihre Inflationsziele zu erreichen, ohne die Finanzstabilität zu gefährden.

Ein Inflationsrückgang könnte unmittelbar bevorstehen. Zwar verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum in den westlichen Ländern, doch China sollte sich erholen. In den letzten Wochen sind die Rohstoffpreise allesamt deutlich zurückgegangen, während sich die Märkte über das Wirtschaftswachstum Sorgen machen. Und obwohl es Engpässe gibt, haben manche Sektoren möglicherweise zu hohe Lagerbestände aufgebaut, was Lieferungen erleichtern könnte und wodurch ein Abwärtsdruck auf die Preise möglich ist. Und so bieten sich sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenmärkten noch zahlreiche Anlagechancen.