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Zinssenkungsphantasien auf dem Prüfstand

Januar 2024
Harald Holzer, Chief Investment Officer der Kathrein Privatbank, ist skeptisch, dass es zu mehr als drei Zinssenkungen 2024 kommt.
Kathrein Privatbank
Harald Holzer, Kathrein Privatbank

Weshalb 2024 das Jahr der Zinssenkungen wird, erklärt Harald Holzer, Chief Investment Officer der Kathrein Privatbank. Er geht von keiner Rezession in den USA und der Eurozone aus und damit einhergehend mit jeweils drei Zinssenkungen durch die Notenbanken. Viele Investoren erwarten bis zu sechs Zinssenkungen. Dazu meint Holzer: „Die Inflation ist zu hartnäckig und die Notenbanken werden nicht riskieren, mit zu aggressiven Zinssenkungen diese wieder anzuheizen.“ Für die Aktienmärkte rechnet die Kathrein Privatbank aufgrund der derzeitigen Daten mit einer positiven Performance, vielleicht sogar im zweistelligen Bereich, wobei sich das politische und wirtschaftliche Umfeld natürlich rasch ändern kann. Der Bullenmarkt wird sich voraussichtlich 2024 fortsetzen. Bei den Anleihenrenditen zeigen die jetzigen Prognosen einen Anstieg bis zum Jahresende. Damit sollten hoffentlich auch positive Realrenditen verbunden sein.

FATMAANN NICHT MEHR TREIBENDE KRAFT

Das Akronym FATMAANN fasst die Giganten Meta (ehemals Facebook), Apple, Tesla, Microsoft, Alphabet, Amazon, Netflix und Nvidia zusammen, die 2023 wesentlich für die gute Performance des US-Aktienmarktes verantwortlich war. „Die Jahresendrallye hat einen Aufschwung der Märkte auf breiterer Ebene gezeigt“, erklärte Holzer. „Die derzeitigen Prognosen gehen davon aus, dass die Mega-Caps insgesamt 2024 zu den Underperformern zählen werden. Man darf aber deren Wirkung nicht unterschätzen, der Marktwert von Microsoft allein ist so groß wie der gesamte Börsenwert Großbritanniens.“

Historisch betrachtet befinden sich die Märkte in einem sehr vorteilhaften Umfeld. Zwischen letzter Zinsanhebung und erster Zinssenkung stieg der S&P durchschnittlich annualisiert um 21,36 Prozent (auf Basis der durchschnittliche annualisierten Aktien-Renditen in den Zinszyklen seit 1990) Die letzte Zinsanhebung war am 26.7.2023 in den USA, seither hat der S&P 500 bereits um 12,6 % zugelegt. Das bedeutet, es ist theoretisch noch weiteres Aufwärtspotenzial vorhanden. Für eine positive Performance spricht auch die Einordnung der Experten im Bullenmarktzyklus. Wo stehen wir im Zyklus? Beginn des Bullenmarktes war im März 2020. Die durchschnittliche Dauer eines Bullenmarktes ist historisch gesehen 64 Monate, das KGV am Beginn lag in der Vergangenheit bei durchschnittlich 14,3, am Ende eines Zyklus dann bei 21,3 am Ende.

Holzer erklärt: „Ende 2023 lag das KGV im S&P 500 bei 18,2, d.h. es gäbe noch 17 Prozent Potential nach oben.“ Wobei man aus den vergangenen Werten, leider keine fixen Prognosen für die Zukunft ableiten kann. Positiv zu vermerken seien auch die Gewinnerwartungen der Analysten, die 2024 ein Gewinnwachstum der Unternehmen von 4,5 Prozent erwarten.

KONJUNKTUR, INFLATION UND ZINSEN

In den USA wird nach einer überraschend robusten Konjunkturentwicklung in 2023, mit einer sanften Landung in 2024 bei abnehmenden Inflationstendenzen und positivem Wachstum gerechnet. In Europa wird ein derart schneller Aufschwung nicht erwartet, es wird aber vermutlich dennoch zu keiner Rezession kommen.

Es wird prognostiziert, dass die Inflation in 12 Monaten in der Eurozone auf 2,25 Prozent, und in den USA auf 2,4 Prozent, sinkt. Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass doppelt so viele Zinssenkungen möglich sind, als die FED prognostiziert. Die jetzige Kathrein-Position ist, dass in den USA und in der Eurozone jeweils drei Mal die Zinsen gesenkt werden, da die Inflation sich als hartnäckig erweist. Interessant ist, dass man in der zweiten Jahreshälfte von stärkeren Zinssenkungen in Europa als in den USA ausgeht. Die Kathrein vermutet, dass es zu einem Zinsumfeld wie in der Zeitperiode 1999-2008 kommen wird. Das würde bedeuten, die Inflation pendelt sich Ende 2024 bei ca. 2,5 Prozent ein. Der reale Leitzins sollte 1,4 Prozent sein (wie in Periode 1999-2008), der Leitzins in der Eurozone würde damit 3,9 Prozent betragen und die Rendite der zehnjährigen Deutschen Bundesanleihe würde bei fünf Prozent liegen.

EINFLUSSFAKTOREN FÜR 2024

„Die Risiken für die Kapitalmärkte sind 2024 nicht weniger geworden, dazu kommt, dass in diesem Jahr mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählen geht,“ erläutert Holzer. Die anstehenden Wahlen in den USA, im Vereinigten Königreich und Indien stellen bedeutende politische Ereignisse dar, deren Ausgang erhebliche Auswirkungen auf die Marktdynamik haben könnte. Ebenso bleibt China ein Fragezeichen in Bezug auf seine wirtschaftliche Entwicklung. Der anhaltende Konflikt in Israel/Gaza könnte Auswirkung auf den Ölpreis und die Welthandelsrouten haben. Für den Krieg in der Ukraine zeichnet sich kein Ende ab. In diesem komplexen Umfeld sind eine wiederauflebende Inflation und erhöhte Volatilität nicht auszuschließen. Eine sorgfältige Analyse und strategische Herangehensweise wird entscheidend sein, um sich den Herausforderungen des Jahres 2024 erfolgreich zu stellen.