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Bremst der Seehandel die Weltwirtschaft aus?

März 2024
Sowohl der Suezkanal als auch der Panamakanal sind derzeit kaum passierbar. Welche Folgen dem Welthandel drohen, analysiert Kim Catechis von Franklin Templeton.
Franklin Templeton
Kim Catechis, Franklin Templeton

Der internationale Handel kurbelt das weltwirtschaftliche Wachstum an, und ca. 80 Prozent der globalen Warentransporte erfolgen auf dem Seeweg. Der Zugang zu den beiden wichtigsten Kanälen der Welt ist fundamental für das Wachstum. Aktuell stellen zwei wichtige Seewege Nadelöhre dar, betont Kim Catechis, Investment Strategist bei Franklin Templeton.

Einer ist der Suezkanal, der 1869 von der französischen Compagnie Universelle du Canal Maritime de Suez fertiggestellt wurde. Er verbindet das Mittelmeer und das Rote Meer und ist damit die schnellste und günstigste Route zwischen Europa und Asien. Rund 30 Prozent des weltweiten Containerverkehrs, d. h. 12-15 Prozent des Welthandels passiert diese enge Wasserstraße. Der Wert dieser Waren wird auf über 1 Billion US-Dollar pro Jahr geschätzt. Das entspricht 19.000 Schiffen und einem Umsatz von 9,4 Milliarden US-Dollar im Geschäftsjahr 2023.

Aufgrund der Raketen- und Drohnenangriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Milizen auf Schiffe ging der Verkehr im Dezember 2023 und Januar 2024 um rund 42 Prozent zurück. Als Reaktion darauf griff US-amerikanisches und britisches Militär Raketenstellungen der Huthis an. Bislang konnten deren Angriffe dadurch nicht gestoppt werden. Die Route von Singapur nach Rotterdam über den Suezkanal ist 8.500 Seemeilen lang und dauert 26 Tage. Beim Umweg über das Kap der guten Hoffnung verlängert sich die Reise auf 11.800 Meilen und 36 Tage. Dabei entstehen für Hin- und Rückfahrt zusätzliche Treibstoffkosten von 1 Million US-Dollar.

Es gibt Hinweise, dass europäische Importeure Bestände aufbauen und statt der Just-in-Time-Lieferung lieber auf Nummer sicher gehen. Die Frachttarife sind dementsprechend in die Höhe geschnellt und beispielsweise für die Route von Shanghai nach Europa seit Anfang Dezember um 256 Prozent gestiegen. Auch die Versicherungsprämien sind kräftig gestiegen und treiben die Kosten zusätzlich nach oben. Als der Kanal das letzte Mal 2021 blockiert war, hielt er nach Schätzungen von Lloyd’s List täglich Containerfracht im Wert von 9,6 Milliarden US-Dollar auf. Aktuell sind die Energiepreise eindeutig in Gefahr, denn täglich werden 9,2 Millionen Fass Öl und 116 Millionen m3 Flüssigerdgas durch den Kanal transportiert.

Der andere Weg ist der Panamakanal. Der 1914 von den USA gebaute Kanal verbindet den Pazifik mit dem Atlantik und gleicht dabei durch Binnenseen und Schleusen einen Höhenunterschied von 26 Metern aus. Daher werden erhebliche Wassermengen benötigt, um ein Schiff durch den Kanal zu schleusen.

Hier bereitet der Klimawandel Probleme. Das Wetterphänomen El Niño tritt häufiger auf und führt zu Dürren, mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Kapazität des Kanals. Normalerweise passieren 12.000 Schiffe pro Jahr den Kanal, die 600 Millionen Tonnen Waren transportieren und Umsatz von 4,97 Milliarden US-Dollar generieren. Inzwischen ist die Zahl der Schiffe um 27 Prozent auf 24 pro Tag gesunken. Die Panamakanal-Behörde (PCA) führt dies auf höhere Temperaten im Atlantik zurück, die durch El Niño und die verspätete Regenzeit verstärkt werden. Den Prognosen der PCA zufolge wird der Wasserspiegel im wichtigen Gatunsee bis April 2024 um zwei Prozent sinken. Das wird sich auf die Frachttonnage der Schiffe auswirken, die den Kanal aufgrund ihres Tiefgangs nutzen können.

Über den Suezkanal werden hauptsächlich Handelswaren, Lebensmittel und Öl transportiert. Der Panamakanal ist dagegen die Route für über 20 Prozent der weltweiten Sojabohnenexporte und 15 Prozent der Maisexporte. Zudem ist er die Hauptroute für LNG-Exporte nach Asien. Es wurden Lieferungen nach Europa umgeleitet, die Liefermengen aus dem Nahen Osten ersetzt haben. Das hat sogar zu günstigeren Preisen in der Europäischen Union geführt.

Für die US-Sojaexporteure ist der Mississippi das unmittelbare Problem: aufgrund der dürrebedingt niedrigeren Wasserstände kam es häufiger zu Einschränkungen der Schifffahrt. Knapp 60 Prozent der US-Getreideexporte (Weizen, Sojabohnen, Mais) werden über diese Route mit Frachtkähnen zu den Exportterminals im Golf von Mexiko transportiert. Und wer profitiert davon? Möglicherweise Soja-Produzenten in Brasilien, die ihre Sojabohnen über die Atlantikroute um das Kap der Guten Hoffnung nach China transportieren. Die Farmer im Mittleren Westen können dagegen die Eisenbahnlinien nach Westen nutzen. Oder sie können die bestehenden Eisenbahnrouten nach Mexiko nutzen um von dort aus die mexikanischen Pazifikhäfen erreichen.

Noch lässt sich nicht abschätzen, ob diese Engpässe zu einer Inflation führen werden. Es wäre jedoch vernünftig, den dadurch entstehenden Inflationsdruck anzuerkennen, der zu einem strukturellen Problem werden könnte. Grund hierfür ist der Kostenanstieg, der je nach Teilsektor, sehr unterschiedlich ausfällt. Dieser hängt vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf den Zielmärkten ab und davon, wie stark sich längere Seewege auf die Verfügbarkeit von leeren Schiffen für die Rückfahrt beeinflussen.