Startseite » Vorsorge » Lebensversicherung » Gesundheitsaktien immun gegen das US-Wahl-Fieber

Gesundheitsaktien immun gegen das US-Wahl-Fieber

März 2024
Entgegen der landläufigen Meinung stellen politische Unsicherheiten nicht unbedingt ein erhöhtes Risiko für den Gesundheitssektor dar, erklärt Vinay Thapar, AllianceBernstein.
AllianceBernstein
Vinay Thapar, AllianceBernstein

Im November werden die Amerikaner an die Urnen treten, um einen Präsidenten und den Kongress neu zu wählen sowie an zahllosen Wahlen auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene teilzunehmen. Anleger halten gerade Investitionen in Gesundheitsaktien in Wahljahren oft für riskant, konstatiert Vinay Thapar, Co-Chief Investment Officer für US Growth Equities bei AllianceBernstein.

Immerhin können selbst geringfügige politische Machtverschiebungen zu neuen Gesetzen führen, die erhebliche Auswirkungen auf die Titel haben können. Auf den ersten Blick scheint das Jahr 2024 da keine Ausnahme zu machen. Die Arzneimittelpreise sind ein heißes Thema, da die Gesetzgeber auf beiden Seiten des Spektrums die hohen Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente ins Visier nehmen.

Die Ergebnisse aus der Vergangenheit sprechen jedoch eine andere Sprache. Es stimmt zwar, dass sich Wahlergebnisse auf Aktien aus dem Gesundheitswesen auswirken können, aber politische Unsicherheit muss nicht immer zu Turbulenzen an den Märkten führen. Tatsächlich hat der Gesundheitssektor in Wahljahren weder einheitliche Ertragsmuster noch eine extreme Volatilität gezeigt. Das hat mehrere Gründe: Zum einen sind US-Unternehmen mit globalen Geschäftseinheiten bei ihren Aktivitäten im Ausland nicht unbedingt an US-Gesundheitsvorschriften gebunden. Zum anderen werden weltweit ganze zehn Prozent des BIP für Gesundheit ausgegeben. Und die Nachfrage dürfte angesichts der alternden Bevölkerung in vielen Industrienationen – unabhängig von kurzfristigen politischen Veränderungen – weiter zunehmen.

Hinzu kommt, dass auch stärker inländisch orientierte US-Unternehmen zum Großteil über Geschäftsmodelle verfügen, die zumindest teilweise vor den Risiken im Zusammenhang mit regulatorischen Vorgaben und Änderungen bei der Kostenerstattung in den USA geschützt sind. Dies gilt beispielsweise für bestimmte Zulieferer von Medikamentenentwicklern, Herstellern von Medizinprodukten und Krankenhäusern, die eher im Hintergrund agieren. Auch Diagnostik- und Software-Dienstleistungen dürften kaum unter politischem Druck stehen, vor allem da sie zur Reduzierung der Kosten in den Gesundheitssystemen beitragen. Das Gleiche gilt für Gesundheitsunternehmen, die an Lösungen forschen, um mithilfe künstlicher Intelligenz Effizienzgewinne für Patienten und medizinische Systeme zu erschließen.

Doch es gibt noch einen weiteren Grund, der die Auswirkungen des Wahlergebnisses in diesem Jahr relativieren dürfte: Die Regierung ist derzeit gespalten, nicht unwahrscheinlich, dass dies auch nach den Wahlen im November der Fall sein wird. Bei einer solchen Spaltung, wenn also die Partei des Präsidenten nicht die Mehrheit im Kongress innehat, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass bedeutende neue Gesetze verabschiedet werden. In einem Wahljahr gilt dies umso mehr. Eine solche Konstellation schränkt zudem die Möglichkeiten für Haushaltskürzungen ein, die die Finanzierung wichtiger Behörden wie der Food and Drug Administration könnten.

Dabei müssen neue Gesetzte nicht zwangsläufig negative Folgen für das Gesundheitswesen haben. Ein Beispiel: Der Inflation Reduction Act (IRA) von 2022 gab der bundesstaatliche Krankenversicherung Medicare neue Möglichkeiten bei der Verhandlung von Arzneimittelpreisen, begrenzte die Insulinkosten für Versicherte auf 35 US-Dollar pro Monat und setzte Anreize für Arzneimittelhersteller zur Begrenzung von Preiserhöhungen.

Die großen Pharmakonzerne warnten zunächst davor, dass die Regelungen Innovationen bremsen würden. Aktuelle Schätzungen der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in der biopharmazeutischen Industrie deuten darauf hin, dass auch nach der Verabschiedung des IRA weiterhin kräftig investiert wird. Die FuE-Ausgaben dürften in den kommenden Jahren sogar um mindestens 4 bis 5 Prozent steigen, da die Unternehmen die Fortschritte in der Genomik und der künstlichen Intelligenz nutzen, um neue Arzneimittel zu entwickeln.

Selbstverständlich sollten Anleger das regulatorische und politische Umfeld in den Blick nehmen und mögliche politische Veränderungen bei der Fundamentalanalyse von Gesundheitsunternehmen berücksichtigen. Derzeit verfolgen wir die aggressive Rhetorik im Handelsstreit zwischen den USA und China und sehen Auswirkungen auf die Biotechnologie als wachsendes nationales Sicherheitsproblem. Bleiben beide Probleme ungelöst, könnten sie zu mehr Regulierung und neuen Handelsbeschränkungen führen. Mit dem Näherrücken der Wahlen im November kann es daher immer wieder zu Volatilitätsausschlägen kommen. Insgesamt sollten sich Anleger bei ihren Investitionsentscheidungen jedoch eher auf Geschäftsmodelle als auf Haushaltsdebatten konzentrieren. Wenn sie sich auf Aktien mit starken Fundamentaldaten, wiederkehrenden Einnahmen und überzeugenden Wachstumstreibern konzentrieren, können sie ihre Allokation im Gesundheitssektor unabhängig von Marktverwerfungen beibehalten.

Der Wahlkampf könnte Anlegern zudem attraktive Chancen bieten. So sind einige Branchen innerhalb des Gesundheitssektors im historischen Vergleich attraktiv bewertet. Wenn sich die Aufregung gelegt hat und der Kongress wieder zusammentritt, könnten kurzfristige Marktturbulenzen noch attraktivere Kaufgelegenheiten bei qualitativ hochwertigen Unternehmen schaffen. Das US-Gesundheitssystem hat im Laufe der Jahre viele Regierungswechsel überstanden. In den kommenden Monaten sollten sich Anleger daher nicht von kurzfristigen politischen Turbulenzen ablenken lassen, sondern ihre langfristigen Anlageziele im Auge behalten. Mit einem sorgfältig zusammengestellten Portfolio aus lassen sich verschiedene Ertragsquellen erschließen, die weitaus beständiger sind als die wechselnde politische Stimmung.